zurück 2.10.1868, Freitag ID: 186810025

Bericht in der Linzer Zeitung Nr. 227, S. 937 [*] über die Abschieds-Soirée vom 29.9.1868:
   »* (Abschieds=Soirée des Herrn Professor Anton Bruckner.) Am 29. September veranstaltete die Liedertafel „Frohsinn” im Vereinslocale zu Ehren ihres scheidenden Chormeisters, des k. k. Hoforganisten und Professors am Wiener Conservatorium Herrn Anton Bruckner, eine ebenso herzliche, als den Scheidenden ehrende Abendunterhaltung im engeren Kreise ihrer Mitglieder und der Freunde des Gefeierten. Vom Standpunkte der Brüderlichkeit des Vereinslebens müssen wir diese in jeder Beziehung würdige und gelungene Feier ein Familienfest nennen, bei welchem sowohl der artistische als rhetorische Theil abwechselnd zur schönsten Geltung gebracht wurde. Der musikalische Theil, selbstverständlich aus gediegenen Chören und Soloquartetten bestehend, erhielt durch zwei von den Herren Koschier, Geyer, Komsak und Seelig meisterhaft durchgeführte Streichquartette, zu denen sich zwei durch Herrn Milde mit großer Virtuosität vorgetragene Clavierstücke gesellten, einen erhöhten Reiz, welchem Meister Bruckner mit bekannter Genialität durch eine freie Phantasie am Clavier die Krone aufsetzte. Der rhetorischeTheil des Festes war durch die Vereinsmitglieder Dr. Weismann, Markus und Zehden vertreten. Herr Dr. Weismann sprach über die Veranlassung der Versammlung, über den herben Verlust, den der Verein durch den Austritt des Gefeierten erleidet, indem er zugleich in sehr passender Weise hervorhob, wie sehr der Verein sich durch die Berufung seines Chormeisters zu einer so hervorragenden Stellung in der Residenz geehrt fühlt. Herr Markus sprach den obgenannten Mitgliedern des landschaftlichen Theaterorchesters für den Hochgenuß, den sie der Gesellschaft bereiteten, den innigsten Dank aus und berührte in ehrenwerther Anerkennung deren besondere Bereitwilligkeit bei einer durch Herrn Bruckner vor mehreren Monaten veranstalteten Concertproduction. Herr Zehden sprach über das Anregende der Künste und Wissenschaften und speciell der Musik, indem er in einer biografischen Skizze Bruckners die Motive berührte, welche die Aufmerksamkeit der Metropole auf diesen nur allzu bescheidenen Künstler lenkten - und dem wahren Verdienste den gebührenden Lohn und den Vorzug vor so vielen Concurrenten zu Theil werden ließen. Redner motivirte diese verdiente Auszeichnung Bruckners durch dessen 5jährige tiefe Studien in der Harmonielehre unter der Leitung des berühmten Contrapunctisten Simon Sechter, dessen ehrenvolle Stelle in Wien zu vertreten der von uns Scheidende berufen wurde. Herr Bruckner antwortete in seiner bekannten Bescheidenheit, indem er die Versicherung gab, dem Vereine auch in der Ferne mit unveränderlicher Liebe, mit Herz und Sinn für immerdar angehören zu wollen - und daß er mit Freude jede Gelegenheit benützen wird, die ihm vergönnt, einige vergnügte Stunden im Vereine verleben zu können. So verstrichen in herzlichster Weise die flüchtigen Abendstunden, die sowohl dem Gefeierten als der Versammlung noch lange in angenehmer Erinnerung bleiben werden. Möge es der Liedertafel "Frohsinn" gelingen in ihrem neugewählten Chormeister, Herrn Franz Behr, einen entsprechenden Ersatz für den scheidenden, als Mensch und Künstler gleich beliebten Meister zu finden.«


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 186810025, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-186810025
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11