zurück 15.10.1871, Sonntag ID: 187110155

Bericht des Steyrer »Alpenboten« Nr. 83, S. 2:
      »Professor Bruckner das Opfer einer perfiden czechischen Denunciation« über die Affaire an St. Anna (*)
unter Verwendung des Artikels der Linzer Tages-Post vom 12.10.1871 (**),
dem folgender Zusatz angefügt ist:

     »Wir fügen hinzu, daß dies derselbe Bruckner ist, der erst kürzlich in London den 1. Preis über alle Mitconcurrenten im Orgelspiele errungen hat - der Stolz Oesterreich's und seines engeren Vaterlandes: Oberösterreich. Es scheint, man will uns alle die wenigen tüchtigen Männer, die wir noch haben, aus dem Lande jagen, nur um den aufgeblasenen Czechen den Bart zu streicheln! Gott besser's!« (**).
 
Die Grazer Tagespost Nr. 271 veröffentlicht auf S. 6 ebenfalls diesen Text:
          "Das Opfer einer Denunciation.
     Wir lesen in der "Linzer Tgspst.": Eine eigenthümliche schulräthliche Maßregelung, welche die Aera Jirecek um ein Räthselhaftes vermehrt, macht jetzt in musikalischen Kreisen viel von sich sprechen. Die Sache ist folgende: Vor Kurzem kehrte der am Wiener Pädagogium als Professor des Orgelspieles angestellte k. k. Hoforganist Herr Bruckner aus London, wo er sich einige Zeit zu Kunstzwecken aufhielt, zurück und war sich keines Argen bewußt, als er sich eines Tages mittelst Citation vor den Schulrath des Pädagogiums beschieden sah. Hier wurde er vom Schulrath Becker mit vorwurfsvoller und barscher Rede empfangen und ihm eröffnet, daß er seiner Stelle enthoben sei. Nach dem Grunde dieser plötzlichen Entlassung fragend, erhielt Herr Bruckner nach längerem Drängen die Aufklärung, daß eine anonyme Anzeige ihn beschuldigt habe, daß er seinen Schülerinnen den Hof mache, einzelne von ihnen vor den anderen begünstige etc. Professor Bruckner wagte es in seiner bekannten Bescheidenheit und Schüchternheit nicht, auf diese Insinuation die gebührende Antwort zu geben und nahm die Entlassung an, obschon es sich hiebei buchstäblich um seine Existenz handelte. Ausgezeichnet mit den höchsten Preisen auf mehreren Weltausstellungen für seine Verdienste um die Orgelmusik, folgte er der Berufung an das hiesige Pädagogium, bezog hier für seine Professur einen Jahresgehalt von 1200 fl. und als vierter k. k. Hoforganist einen Zuschuß von 200 fl. Dieser Subsidien sieht er sich nun beraubt. In der Angst um seine Zukunft wendete er sich an den König von Baiern, um für sich eine passende Stellung an einem Münchener Institute zu erbitten, und erwartet jetzt von der königlichen Antwort sein Heil oder Wehe. Jene anonyme Denunciation aber, welche den deutschen Professor Bruckner in die Lage setzte, einem czechischen Nachfolger Platz zu machen, entspricht nur insoferne der Wahrheit, als der Herr Professor einmal eine Schülerin mit „liebes Kind” angesprochen und hinzugesetzt, daß er mit ihren Leistungen sehr zufrieden sei." (***).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 187110155, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-187110155
letzte Änderung: Dez 23, 2023, 13:13