zurück 11.4.1889, Donnerstag ID: 188904115

Ein »Musikbrief aus Wien« im Musikalischen Wochenblatt Nr. 16 auf S. 197f berichtet von der Aufführung der 7. Symphonie [am 24.2.1889]. Ludwig Speidel habe [am 7.3.1889] sich diesmal lobend geäußert:
     "Wien.
     (Fortsetzung.)
     Eine Reihe grossartiger Concerte spielt sich in der Zeit von Ende Februar bis Mitte März in Wien ab. [...] In der Mitte des Programms stand Anton Bruckner's 7. Symphonie (E dur; 21. [sic]Aufführung in Wien), eingerahmt von [... Liszt, Wagners Tannhäuser-Musik ...]. Bruckner's E dur-Symphonie machte einen ganz gewaltigen Eindruck auf die alle Räume des grossen Musikvereinssaales füllende, andächtig lauschende Hörerschaft. Der Erfolg des nach meinem Dafürhalten höchst bedeutenden und in der Gegenwart an Grossartigkeit unübertroffen dastehenden Werkes war diesmal ein viel einhelligerer, durchgreifenderer, als bei der ersten Aufführung in einem Philharmonischen Concert vor drei Jahren (21. März 1886). Damals erwies sich zwar eine enthusiastische Minderheit unermüdlich im Beifallsklatschen, die eigentlichen Stammabonnenten der Philharmonie aber - von denen freilich Viele nur um der lieben Mode Willen in diesen Concerten erscheinen - nahmen vom Adagio der Symphonie in hellen Schaaren Reissaus, sodass das Finale vor halbleeren Bänken spielte. Diesmal aber rührte sich Niemand vom Platze, stand Alles wie unter einem Zauber und brach nach jedem der vier Sätze der Bruckner'schen Symphonie ein Riesenbeifall los, wie er selbst in dem, wenn einmal hingerissen, fast fanatischen Wiener Publicum selten vorkommt. Und dieser grossartige Triumph unseres greisen vaterländischen Meisters wurde von der "Neuen freien Presse" und Consorten vollständig todtgeschwiegen! Eine rühmliche Ausnahme im reactionären Chorus machte aber diesmal der bekannte leidenschaftliche Anti-Wagnerianer Ludwig Speidel, welcher Bruckner's E dur-Symphonie vor drei Jahren als zu "wagnerisch" ignoriren zu müssen glaubte, während er sich nach dem jetzigen zweiten Anhören zum Geständniss gedrängt fühlte: "Könne er auch Bruckner nicht in die letzten Consequenzen seines Werkes folgen, so sei er doch gezwungen, die Genialität anzuerkennen, die in dessen Erfindung und mächtigen Combinationen walte. Der Grösse des Adagio stehe man geradezu staunend gegenüber. Der Spott sei allseits verstummt, Bruckner habe sich durchgesetzt. So viel an dieser Erscheinung auch fremdartig anmuthe, es sei unmöglich, sie nicht zu ehren." ("Wiener Fremdenblatt" v. 7. März d. J.) Dass sich unser unübertreffliches Orchester bei dieser Gelegenheit in seinem vollen Glanze zeigte, braucht kaum besonderer Bemerkung. [... über die weiteren Werke, das Nicolai-Konzert, das 4. Gesellschaftskonzert, kurze Erwähnung des Konzertes von Joseph Joachim und des Konzertes des Wiener Männergesangvereins, in dem Heinrich Hofmann ...] als Componist einen Achtungserfolg errang, während Rich. Wagner's "Liebesmahl der Apostel" wie gewöhnlich mächtig zündete.
       (Fortsetzung folgt.)" [Signatur am 13.6.1889:] Dr. Theodor Helm. (*).

Bruckners Orgelschüler Hermann Haböck spielt die Solostimme in Händels Orgelkonzert im 2. öffentlichen Konzert des Wiener Konservatoriums mit dem Zöglingsorchester unter Hellmesberger (**).

Laut einer Meldung des Neuen Wiener Tagblatts Nr. 100 auf S. 4 ist ein Bruckner-Porträt [IKO 28 oder IKO 32?] demnächst in einer Ausstellung zu sehen:
     " * (Der "Salon der Zurückgewiesenen".) Der "Salon der Zurückgewiesenen" wird nicht vor Mitte der nächsten Woche eröffnet werden können. An der Ausstellung sind etwa 55 Künstler betheiligt. [... italienische Künstler u. a. ...] Vita bringt mehrere Porträts, Krenn mehrere Aquarelle, Beraton Porträts von Bruckner und Sulzer, Leo Diet ein Bildniß der Sängerin Lola Beeth [...] Die Werke können nunmehr am Eislaufvereinsplatze abgeliefert werden, wo bereits das Bureau des "Salons der Zurückgewiesenen" etablirt ist." (***).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188904115, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188904115
letzte Änderung: Mär 22, 2023, 7:07