zurück 15.4.1889, Montag ID: 188904155

Kalendereintragung Bruckners: »15. Beichtt[ag]. (NB. Gigerln) wohl 6. [6. Gebot gemeint??] (nicht) erwähnt.« (*).

Die Neue Freie Presse Nr. 8851 berichtet auf S. 1 von der gestrigen Ausstellungseröffnung:
     "[Der Salon der Zurückgewiesenen.] Die Eröffnung des Salons der Zurückgewiesenen ging gestern unter außerordentlicher Theilnahme des Publicums vor sich. [... schon um 10 Uhr mit den geladenen Gästen überfüllt ... anwesend u. a. Fürstin Arenberg, Graf Edmund Zichy, Ludwig Lobmeyr, v. Schoeller, Wiesenburg, Professoren der Akademie ... ab 2 Uhr öffentlich, Kasse musste öfters gesperrt werden, 1200 Besucher ... so viele gute Bilder unter den zurückgewiesenen, Debatte darüber,] "wieso das möglich gewesen sei". In der That gehören die so lebensvoll ähnlichen Bildnisse Vita's, "Herr und Frau Bernhard Ludwig", das durchgeistigte Porträt des Componisten Bruckner von Beraton, das Selbstporträt des Fräuleins Menzel, [...] zu den besseren Kunstwerken von heute, welche gegenwärtig in Wien zu sehen sind. [...] Wir kommen gelegentlich auf diese Ausstellung zurück." (**).

Mehr ins Detail geht der Bericht der Extrapost Nr. 379 (= Wiener Montags-Journal) auf S. 2f:
   "Nachrichten vom Sonntag.
   Der "Salon der Zurückgewiesenen".
      Seit gestern darf man sagen: Wenn es dem Maler schlecht geht, geht er aufs Eis. Auf dem Eislaufplatze wurde heute Nachmittags die Ausstellung Jener eröffnet, welche vor den Augen der Jury der diesjährigen Exposition im Künstlerhause keine Gnade gefunden haben. [... über die Berechtigung solcher Urteile ... einige Werke lagen der Jury gar nicht vor ... einige Künstler seien auch im Künstlerhaus zu sehen ... im Salon aber auch minderwertige Bilder ... die Ausstellung beweise,] daß aber die Jury [des Künstlerhauses] den guten Ruf, den sie [die Künstler] besitzen, dadurch aufrecht zu erhalten suchte, indem sie die vorgelegten Bilder zurückwies. Eine Ausnahme machte Herr Beraton, sein Porträt des Componisten Bruckner ist von besserem Gehalt als seine anderen Bilder. Im Vergleich zu manchen Bildnissen im Künstlerhause hätte es wohl Einlaß daselbst finden können, ebenso wie [... weitere Beispiele ... großer Zuspruch ...] Mit Recht. Jedenfalls können Künstler und Kunstfreunde darin lernen: wie man es machen, aber auch wie man es nicht machen soll." (***).

Auf die unterschiedliche Qualität der Bilder und der Beurteilungen geht auch die Wiener Sonn- und Montags-Zeitung Nr. 15 auf S. 4 ein (signiert "Ego."):
     "Vom "Salon der Zurückgewiesenen".
         Extra Salonem non est vita! dachte wohl der in seinem Künstlerstolze verletzte Maler Vita und gründete im Vereine mit anderen gleichbetroffenen Berufsgenossen einen - Extra=Salon für solche Kunstwerke, an welchen nichts auszustellen ist, wie die Zurückgewiesenen glauben; aber merkwürdiger Weise meint dasselbe auch die Jury des Künstlerhauses, allerdings in etwas anderem Sinne als die Ersteren. Der Doppelsinn des Wortes "ausstellen" [... über die Abwägung Prachtbau des Künstlerhauses contra Bretterbude am Eislaufplatz ... Beispiele (darunter Vita) ...] Man braucht nicht gerade für alle Porträts, die Bératon geliefert, zu schwärmen; aber einzelne derselben wären immerhin würdig gewesen auch im Künstlerhause zu hängen, wie beispielsweise der sehr charakteristisch herausgearbeitete Kopf des Componisten Professor Bruckner, zumal das Porträtfach in der diesjährigen Kunstausstellung gleichfalls manche stiefmütterliche Vertretung zeigt. [... künstleriche Diät bei Maler Diet ...] Leider muß ich aus Raummangel für heute meinen Bericht über den "Salon der Zurückgewiesenen" abbrechen; der Meteur en pages ruft: biegen oder - brechen.    Ego." (°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188904155, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188904155
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11