zurück 20.2.1891, Freitag ID: 189102205

Präsentationsvermerk auf dem Brief Kempelens an die Liechtensteinsche Hofkanzlei [Zipfl] und Aktennotiz:
    Die am 3.1.1891 auf Widerruf bewilligte Beihilfe werde Bruckner nachträglich auf Lebensdauer bewilligt (*).

Die Deutsche Kunst- und Musik-Zeitung Nr. 6 bringt auf S. 60 eine Kritik (signiert "W. v. R.") zur Grazer Aufführung der 4. Symphonie am 1.2.1891:
     "Graz. Einer Einladung des Steiermärkischen Musikverein [sic] folgend, war am 1. d. M. Herr Josef Schalk, Professor am Conservatorium und Dirigent des Richard Wagner=Vereines in Wien, hiehergekommen, um das vierte Mitglieder=Concert des Musikvereines zu dirigiren. Professor Schalk, welcher bei dieser Gelegenheit zum erstenmale an der Spitze eines größeren Orchesters stand, hatte die Coriolan=Ouverture von Beethoven, R. Wagner's Siegfried=Idylle und die in letzter Zeit viel besprochene Romantische Symphonie (Es-dur) von Anton Bruckner gewählt und durch die würdevolle, ruhige, vornehm=künstlerische Weise, mit welcher er seiner Aufgabe gerecht wurde, den denkbar günstigsten Eindruck hinterlassen. Herr Schalk war eigentlich nicht als ein Bewerber um die zu besetzende Dirigentenstelle aufgetreten; wir nehmen jedoch keinen Anstand zu erklären, daß dem Musikverein, falls es ihm gelingen sollte, diese ausgezeichnete Kraft zu acquiriren, nur zu gratuliren wäre. Das äußerst zahlreiche Publicum verfolgte mit größter Aufmerksamkeit die Entwicklung des Programms und gab seine Zustimmung durch stürmischen Beifall zu erkennen. Einen großen Antheil an dem künstlerischen Gelingen des interessanten Concertes hatte auch der Bruder des Dirigenten, der verdienstvolle hiesige Operetten=Kapellmeister Herr Franz Schalk, welcher die vorhergegangenen Orchesterproben mit Sorgfalt und Umsicht geleitet hatte. [... über andere Konzerte ... Signatur auf S. 61:]
                    W. v. R." (**).

Das Grazer Volksblatt Nr. 41 kommentiert auf S. 6 die Dirigentenwahl des Musikvereins und erwähnt dabei kurz Bruckner:
           "Steiermärkischer Musikverein.
     In der Ausschusssitzung am 17. d. wurde zum artistischen Director Herr Erich Degner aus Weimar gewählt, [... die Wagnerianer hätten lieber Pohlig oder wenigstens Josef Schalk genommen ... Pohlig war als Nachfolger Kienzls bevorzugt ... die Tagespost musste den Wagnerianer Theodor Helm als Referenten kommen lassen ... weil Degner Mozarts g-Moll-Sinfonie zu dirigieren hatte], so wurde dieses herrliche Meisterwerk des größten Tonheroen Österreichs als eine weit hinter dem 'Venusberge' in Tannhäuser oder der Bruckner'schen Symphonie stehende Geistesarbeit herabgedrückt. Und doch, all dieser Liebe Mühe war umsonst: man kann daraus ermessen, wie unbeliebt die Wagnerianer=Partei sich im Schoße des Musikvereines gemacht hat, wenn sie trotz des ganzen Aufgebotes all ihrer Kräfte eine solche Niederlage erleiden musste.
     [... Bemerkungen zu Pohlig ... Signatur:]
                               - sdl-". (***).
Theodor Helms Reaktion wurde am 24.2.1891 veröffentlicht.

 


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189102205, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189102205
letzte Änderung: Dez 15, 2023, 9:09