zurück 7.7.1892, Donnerstag ID: 189207075

Datierung (anläßlich einer Revision) im 150. Psalm (*).

Hinweis im Deutschen Volksblatt Nr. 1260, S. 7, auf die Aufführung der 3. Symphonie am 9.7.1892:
         "Theater, Kunst und Literatur.
                           Achtung!

     Samstag, den 9. d. M., wird in der Ausstellung abermals ein Concert stattfinden, das ein würdiger Nachfolger des im vorigen Monate gegebenen Wagner=Vereins=Concerts zu werden verspricht. [... genußreiches Programm ...] 2. Dritte Symphonie (in D-moll, Richard Wagner gewidmet) von Dr. Anton Bruckner; [... vorzügliche Leistung des Ausstellungsorchesters zu erwarten ...], steht ihm doch diesmal als Dirigent der um die Bruckner=Sache so hoch verdiente, geistreiche Interpret dieses Meisters, Professor Ferdinand Löwe, vor, [... Exquisites zu erwarten ...] Wir hoffen, daß die Freunde der Wagner'schen und Bruckner'schen Sache den einen Versuch, die populären Concerte unseres Ausstellungs=Orchesters zu Pflegestätten des musikalischen Fortschrittes zu machen, durch recht zahlreichen Besuch unterstützen werden, zumal der Besuch des Concertes ja ganz geringe finanzielle Opfer fordert, da auch für dieses Unternehmen die gewöhnlichen niedrigen Eintrittspreise der populären Concerte gelten." (**)

und auf derselben Seite ein ausführlicher Artikel, signiert "N.", über die Aufführung des Chores "Das deutsche Lied" [WAB 63] am 2.7.1892 mit deutlicher Kritik an der Programmzusammenstellung und die Tenorprobleme bei Bruckners Chor:
Sommer-Liedertafel des Wiener Akademischen Gesangvereines.
     Der Wiener Akademische Gesangverein veranstaltete Samstag, den 2. d. M., die vierte satzungsmäßige Aufführung in dem laufenden Vereinsjahr. Nach seiner Frühlings=Liedertafel hat sich der rührige Verein nur kurze Rast gegönnt.
     [... guter Besuch, 1. und 3. Abteilung Vorträge der Kapelle des Infanterie-Regiments Graf Jellacic (unglücklich zusammengestellt) ...] Aber auch die vom Vereine selbst vorgetragenen Stücke sind von sehr ungleichem musikalischen Werthe. Nach Bruckner und Schubert kommt in willkürlicher Aneinanderreihung Weinzierl und Max Hiller (nicht zu verwechseln mit Ferdinand Hiller) und in der letzten Abtheilung Machanek, Stritzko, Eyrich, Johann Strauß und Weinwurm zu Wort.
     [... einheitlichere Programme wünschenswert (Studentenlied, Deutsch-Patriotisches, echtes deutschesVolkslied) ...]
     Das herrliche "Deutsche Lied", von dem Ehrenmitgliede des Wiener akademischen Gesangvereines, Dr. Anton Bruckner, auf begeisterte Worte des nationalen Sängers Erich Fels für das "Erste deutsch=akademische Sängerfest" componirt, zum erstenmale aufgeführt in der Aula academica in Salzburg, am 5. Juni 1892, als Gesammtchor aller am Feste theilnehmenden Vereine, eröffnete den Reigen der Vorträge des Vereines. Dasselbe zeichnet sich durch seine packende Rhythmik aus. Der Vortrag dieses originellen Tonstückes ließ jedoch Einiges zu wünschen übrig. Der Meister hat an die ersten Tenöre allerdings ungewöhnliche Anforderungen gestellt, indem er sie mehrere Tacte hindurch a, b und h singen läßt. Diese Schwierigkeit läßt sich aber spielend überwinden, wenn die Tenöre an's Falsettsingen gewöhnt sind. Auch kann man dem ersten Tenor sehr leicht einige des Falsettsingens kundige Baritonisten zur Unterstützung zugesellen. Das Falsett eines Baritons wird gerade in dieser Lage besonders schön und glanzvoll. In der angedeuteten Weise ausgeführt, würden gerade diese Stellen, welche diesmal fast ganz verloren gingen, eine überwältigende Wirkung gethan haben. Daß dem anwesenden Altmeister Bruckner von seinen Studenten begeistert zugejubelt wurde und daß er dafür in der bekannten herzgewinnenden, liebenswürdigen Weise dankte, ist von selbst verständlich.
     [... kritische Anmerkungen zu den übrigen Werken (falsche Volkstümlichkeit, fehlerhafter Dialekt ...]
     Von den übrigen Nummern wollen wir schweigen.
      Wir können diesen Bericht nicht schließen, ohne nochmals und ganz nachdrücklich unseren Sympathien für den "Akademischen Gesangverein" Ausdruck zu geben. Wir glauben aber, dem Vereine durch eine wohlwollende, offene und aufrichtige Kritik am Besten nützen zu können, und hoffen, daß unsere Worte nicht zu tauben Ohren gesprochen sein werden. Glück auf zu ernster Arbeit im nächsten Semester.     N." (**a).

Über dieses Konzert schreibt auch die Linzer Tages-Post (***).

Theodor Helms Feuilleton im Pester Lloyd Nr. 162 auf S. 5f (= 1. Beilage) enthält eine Kritik der 4. Symphonie (am 15.6.1892):
          "Feuilleton.
Musikalisches von der Wiener Musik- und Theaterausstellung.

[... Ein sensationelles Konzert des Wagner-Vereins ...]
     Ruhm- und buchstäblich lorbeergekrönt haben die Sänger des von Herrn Daniel de Lange meisterhaft geleíteten Amsterdamer a capella-Chorvereins gestern Wien verlassen. Ihr glänzender Erfolg auf der Ausstellung wird vielfach mit jenem der czechischen Nationaloper verglichen. [... begeisterte Besprechung der Konzerte vom 27. und 29. Juli und (besonders ausführlich) 1.7.1892 ... kompletter Text des Artikels bei  www.anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=pel&datum=18920707&seite=5 ... über weitere Konzerte und Grädeners Tätigkeit ...] Die weitaus bedeutendste, ja eine wirklich glänzende Leistung hat das Ausstellungs Orchester am 15. Juni unter Prof. J. Schalk's feinfühliger Leitung in der Wiedergabe von Anton Bruckner's großartiger "Romantischer Symphonie" (Nr. 4 Es-dur) geboten.
     Es geschah dies in einem vom akademischen Wagner=Verein veranstalteten Konzert, das sich nach Besuch und Erfolg wahrhaft sensationell gestaltete. Nach Bruckner's Symphonie bereitete man dem greisen Komponisten eine Ovation, die in ihrer Spontaneität etwas Ergreifendes hatte. Frau Fürstin Metternich überreichte persönlich einen prächtigen Lorbeerkranz und gratulirte Bruckner mit den schmeichelhaftesten Worten zu seinem Triumph, das Orchester brachte von freien Stücken einen Tusch, der Saal erbebte von Beifallsstürmen und Hochrufen. Und das ging keineswegs blos von der intimen Wagner-Partei, sondern von einem vielhundertköpfigen, den verschiedensten Richtungen angehörigen Publikum aus, das bei dem tragisch erhabenen Schlusse der Bruckner'schen Symphonie wie unter einem Zauberbanne stand. Es ist dies dieselbe Symphonie, durch welche - wie sich der Dichter Paul Heyse in einem offenen Schreiben an den Komponisten ausdrückte - ihr Schöpfer im Dezember 1890 ganz München von neuem seiner kühnen Muse eroberte. Sie glauben überhaupt gar nicht, wie populär der lange, so sehr über die Achsel angesehene, wohl als gar nicht für ernst zu nehmen erklärte vaterländische Tondichter im Spätherbst seines Lebens geworden ist. In der Ausstellung finden Sie an den verschiedensten Stellen, in den verschiedensten Aufnahmen Bruckner's Bild, vernehmen von den Besuchern auf Schritt und Tritt seinen Namen. Seine zum Sprechen getroffene Büste von Professor Tilgner's Meisterhand erscheint meist mit frischen Blumen geschmückt, selbst das Schattenspiel=Theater hat sich den originellen Charakterkopf nicht entgehen lassen. [... über zwei weitere Konzerte ... Signatur auf S. 6:]
                                     Dr. Theodor Helm." (°).

Im zweiten Teil eines umfangreichen Feuilleton-Artikels von Emmerich Ranzoni in der Neuen Freien Presse Nr. 10010 (S. 1 - 4) erfährt man auf S. 4, dass Tilgners Bruckner-Büste in München ausgestellt ist [siehe auch die Anmerkung]:
"              Internationale Kunstausstellung.
                                 II. *)
[Fußnote: "*) Siehe Nr. 10008 der "Neuen Freien Presse"."]
                                                München, 3. Juli.
     Das Sittenbild überwiegt auch auf dieser Ausstellung, und es ist dies einem bezeichnenden Zuge unserer Zeit entsprechend. [... einzelne Werke werden ausführlich besprochen ... Landschaften, Tierbilder, Stillleben, Pastelle und Zeichnungen ... S.4:]
     Die Plastik zählt mehr als dreihundert Nummern, und es ist eine guter Theil des eingelaufenenen Materials noch gar nicht katalogisirt, muß man doch zugestehen, daß alle diese Büsten, Figuren und Gruppen mit Geschick und Geschmack in den verschiedenen Räumen des Glaspalastes vertheilt sind, aber die Mehrzahl derselben hat kaum mehr als decorativen Werth, und man muß da lange durch die Säle wandern, um etwas zu finden, das mit Tilgner's reizendem Brunnen, oder mit seiner sprechend ähnlichen Büste des Componisten Bruckner, oder mit Myslbek's Büste des Grafen Thun, welche gegenwärtig die österreichische Abtheilung schmücken, gleichwerthig wäre. [... über weitere Plastiken, Kupferstiche und Radierungen, Baukunst ("wohin wir Wiener ganz besondere Ansprüche mitbringen") ...]
     Die österreichische Abtheilung, welche soeben eröffnet wurde, ist eine der besten und gehaltvollsten der ganzen Ausstellung, sie ist augenerfreuend angeordnet und enthält eigentlich gar nichts Schwaches; [... Beispiele ... Alte Meister ... ]
                                Em. Ranzoni. " (°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189207075, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189207075
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11