zurück 6.4.1895, Samstag ID: 189504065

Die Deutsche Zeitung Nr. 8357 bemängelt auf S. 1f in einem Rückblick auf das Gastspiel der Berliner Philharmoniker die Benachteiligung Bruckners.
"Die Concerte der Berliner Philharmoniker.
                   
Ein Rückblick.
     Wir haben nach jedem der drei Concerte der Berliner Philharmonieker über das Wesentliche sofort berichtet, es erübrigt nun nur mehr das künstlerische Gesammtergebniß des Unternehmens ins Auge zu fassen. Die Berliner Concerte haben uns große Genüsse verschafft, aber auch so manche Enttäuschung bereitet. [... angekündigte Künstler blieben aus ... Programmänderungen ... ]. Aber warum hat neben Brahms nicht in demselben Concerte der Name Bruckner Raum gefunden?
     Man denke nur, Capellmeister Weingartner hatte in Berlin erst kürzlich – allerdings nicht an der Spitze der philharmonischen, sondern der königlichen Capelle – Bruckner's "Romantischer Symphonie" (Nr. 4, Es-dur) einen glänzenden Erfolg verschafft [9.3.1895]. Er richtete hierüber sogar ein begeistertes, auch von der "Deutschen Zeitung" veröffentlichetes Telegramm an den greisen Meister. Wie naheliegend wäre es nun für ihn gewesen, dasselbe Bruckner'sche Werk auch in Wien aufzuführen! Bei der ausgezeichneten Schulung des Berliner philharmonischen Orchesters hätte es für Weingartner gewiß nicht vieloer Proben bedurft, um auch diese Musikerschaar in den Geist und die vielen Feinheiten der Bruckner'schen Symphonie rasch einzuführen. Am zweiten Concertabend der Berliner Philharmomniker in Wien aber hätte immerhin Beethoven's "Achte" (mit der die Gäste sehr wenig Wirkung machten und nur unliebsame Vergleiche mit den Wiener Philharmonikern heraufbeschworen) zu Gunsten der Bruckner'schen "Vierten" entfallen können. Der Erfolg des Berliner Orchesters wäre an diesem Abende dadurch ein viel größerer geworden, da ihm ja durch die beherrschende Gewalt seiner Bläser ohnehin moderne Musik ungleich näher liegt, als classiche. [...].
     Brahms' zweite und Bruckner's vierte Symphonie, dazwischen Berlioz' "Römischer Carneval", und etwa ein hier länger nicht gehörtes kürzeres Orchesterstück – zum Beispiel Wagner's "Kaisermarsch" – das hätte ein prächtiges Programm abgegeben, welches unzweifelhaft die Zugkraft des zweiten Concertabends mächtig erhöht hätte. [...].
                               Theodor Helm." (*).

In der Kritik der Ostdeutschen Rundschau Nr. 94 zu Liszts Graner Festmesse auf S. 2f wird auf S. 3 Bruckner erwähnt:
"               Liszt's Graner Festmesse.
(Aufgeführt im Konzerte des Akademischen Wagnervereines am 30. März 1895.)
     Der Akademische Wagenrverein konnte für seine 100. Musikaufführung keine würdigere Wahl treffen [... über die Bedeutung des Werkes ... Werkbeschreibung ...]
     Nunmehr sind seit der ersten Aufführung der Festmesse zur Einweihung der neuen Basislika in Gran am 31. August 1856 nahezu vierzig Jahre verflossen. Das Werk ist seinerzeit maßlosen Angriffen ausgesetzt gewesen, heute erscheint es uns wie der einzige würdige Ausdruck der Gegenwart auf kirchlichem Gebiete. Die gewaltige That, die einst Liszt vollbracht, fand einen begeisterten und gottbegnadeten Nachfolger in unserem Bruckner. Schon ist Wagner's Musikreform nicht nur auf dem dramatischen, sondern auch auf den meisten anderen Gebieten der Tonkunst zum Siege gelangt, sie wird auch auf dem Gebite der Kirchenmusik, begreiflicherweise dem konservativsten, siegreich sein. [...]
     [... letzte Konzertaufführung vor fast 20 Jahren ... Lob für die mitwirkende Regimentskapelle von Emil Kaiser und den auswendig dirigierenden Josef Schalk ... Gericke scheidet bei den Gesellschaftskonzerten aus ...] – wir hoffen, daß man nicht in die Ferne schweift, wo das Gute so greifbar nahe liegt.
                                              Hagen." (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189504065, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189504065
letzte Änderung: Jun 10, 2024, 11:11