zurück 2.2.1902, Sonntag ID: 190202025

Die Mississippi-Blätter Nr. 33 (Westliche Post, St. Louis, Missouri) erwähnen Bruckner in einem Artikel auf S. 33:
"     Was heißt musikalisch sein?
           Von Dr. Heinr. Pudor.
     In früherer Zeit, als die musikalische Erziehung noch nicht so weit verbreitet war [... über musikalisches Talent ... das Auswendigspielen ... Gedächtnis nicht gleichbedeutend mit Talent ... technische Virtuosität ...].
     [...] Wo keine Empfindung ist, ist keine Musik. [...]. Ein Componist mag ein sehr gelehrtes Werk schreiben, voll von contrapunktischen Schwierigkeiten, ohne[,] wenn er nicht zugleich den Durst unserer Seele befriedigt, eine Wirkung zu erzielen. Mascagni schrieb ein Werk voll von Brutalitäten, aber zu gleicher Zeit voll von Leidenschaft und unmittelbarster Gefühlsäußerung, er giebt das Gefühl gleichsam nackt – und hatte einen großen Erfolg. Bruckner in Wien dagegen wußte und konnte hundertmal mehr, aber seine Symphonien bahnen sich nur schwer den Weg zum Herzen. Viele der Feinde Beethoven's, welche seinen "Fidelio" bekämpften, kannten den Contrapunkt besser, hatten ein schärferes Gehör und ein besseres musikalisches Gedächtniß, und sind doch heute nur Staub im Vergleich zu dem großem Heroen der Tonkunst, weil er das Genie hatte und sie nicht. [...]."

[... Es folgen Artikel über "Die Musik als ärztliches Heilmittel" und über "Impf-Partys" in London ...].


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 190202025, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-190202025
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11