zurück 10.9.1915, Freitag ID: 191509105

Im Nachruf auf Otto Kitzler im Linzer Volksblatt Nr. 224 auf S. 5f wird auch Bruckner erwähnt:
     "Zu Musikdirektor Otto Kitzlers Ende. Aus Steyr schreibt man uns vom 8. d.: Aus Graz kam gestern die Nachricht, daß dortselbst am 6. d. früh der gewesene Musikdirektor des Brünner Musikvereines, Otto Kitzler, Besitzer des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone und Ehrenmitglied vieler Musik- und Gesangsvereine, ihm hohen Alter von 82 Jahren durch Selbstmord geendet hat. Otto Kitzler interessiert uns deshalb besonders, weil er von 1860 bis 1862 als erster Kapellmeister am Landestheater in Linz wirkte und zu jener Zeit Richard Wagners »Tannhäuser« zum erstenmal in Linz zur Aufführung brachte, Wagner somit in unserer Landeshauptstadt sozusagen einführte, nachdem daselbst vorher noch nie eine Wagner-Oper zur Aufführung gebracht worden war. Otto Kitzler ist aber auch deshalb für die musikalische Welt von Bedeutung, weil er der Lehrer Dr. Anton Bruckners für musikalische Formenlehre war und ihm das Verdienst zufällt, Meister Bruckner die Kenntnis des modernen Orchesters vermittelt und ihm zuerst die neue Welt der Kunst Richard Wagners erschlossen zu haben. Otto Kitzler war zu Dresden geboren. Hervorgegangen aus der Schule Hans von Bülows, lernte er auch in Dresden die Opern Richard Wagners kennen, der damals auf der Höhe seiner Kapellmeistertätigkeit stand. Er studierte an den Konservatorien in Brüssel und Prag und kam, nach mehrjähriger Tätigkeit von dort zurückkehrend, nach Linz, wo er Bruckner gelegentlich am Domchore kennen lernte. Er wußte diesen so für sich einzunehmen, daß Bruckner sich entschloß, bei ihm, dem zehn Jahre jüngeren, weiteren Unterricht in der musikalischen Formenlehre zu nehmen. Kitzler führte dabei Bruckner in die damals noch ganz neue Wagnersche Art der Instrumentierung ein und fand an Bruckner einen gelehrigen Schüler, der großartige Fortschritte machte und bald den Lehrer übertraf. Unausgesetzte Freundschaft verband beide bis zu Bruckners Tode. Otto Kitzler, der sich somit, was übrigens allgemein anerkannt ist, um Bruckners Ausbildung in der Instrumentierungskunst ein großes Verdienst erworben hat, wurde vor einigen Jahren auch seitens des Männergesangvereines »Kränzchen» in Steyr durch Verleihung der silbernen Bruckner-Medaille geehrt." (*).

Dass Bruckner durchaus nichts Selbstverständliches im Konzertleben war, schimmert in einem Artikel im Evening Ledger Nr. 309 (Evening Public Leger, Philadelphia, Pennsylvania) auf S. 8 durch:
"             CAN PHILADELPHIA PAY ITS ORCHESTRA?
Good Music Is Not a Profitable Business, But It Is a Good Public Enterprise, None the Less
                      By GILBERT V. SELDES
A LITTLE more than a month from now the Philadelphia Orchestra will begin its 16th season of concerts in the Academy of Music. [... über die Entwicklung der Konzerte (u. a. Statistik) und des Orchesters ... Finanzen (Kosten 200000 $ pro Jahr, davon 1/4 durch Sponsoren) ... nur Boston und Chicago tragen sich selbst ... auch ausverkaufte Konzerte reichen nicht aus ...].
                  The Riddle in the Orchestra
     All in all, the plight of an orchestra looks like a riddle. It looks like a bad business proposition, and there are many economists and efficiency experts who would say at once that an organization which serves the people and cannot make its expenses is not serving the people properly and ought to be abandoned. Which may be very good economics, but is very bad human nature.
     Listening to the Orchestra is a growth. One must begin with casual interest and an open mind, preferably in youth. There may be a sharp struggle when Bruckner is put on, or a positive rebellion when Schoenberg is played. But one must go on. In the end the Orchestra will repay. To evolve a music-loving, and particularly a symphonic-loving populace, the Orchestra is now playing popular concerts, of which there will be three weeks this year against two last year. [... Vorschlag: verbilligte Konzerte am Sonntag nachmittags ... bei den Samstagskonzerten gebe es freie Plätze, die gefüllt werden könnten ... die Wichtigkeit des Orchesters für das gesellschaftliche Leben ...]." (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 191509105, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-191509105
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11