zurück 11.2.1861, Rosenmontag ID: 186102115

Besprechung des Faschingskonzertes vom 9.2.1861 im »Linzer Abendboten« Nr. 34, S. 1:
»Die Liedertafel "Frohsinn" und der Herren-Abend am 9. Febr. 1861. 
   Seit Langem schon sahen wir die hiesige Liedertafel einen Standpunkt in musikalischer Beziehung einnehmen, der jeden, der es mit dem Gesange ehrlich meint, mit inniger Freude erfüllen mußte. In letzterer Zeit, wie vorzüglich der jüngst verflossene Damen-Abend zeigte, ist sie zum wahren Kunstinstitute geworden, und kann sich nunmehr mit solchen Leistungen jeder anderen Liedertafel kühn an die Seite stellen. 
   Die Linzer Liedertafel ist groß geworden. Wohin aber war der Frohsinn gekommen? Seine Devise war zerrissen und die Theile flatterten im Winde, wir kannten den "Frohsinn" beinahe nimmer.
   Zu viel Studieren ohne Erholung, ewige Konzertluft, ununterbrochene Anstrengung hat seine Nerven angegriffen, er war mißmuthig geworden, wie so viele Denker und Gelehrte. 
   Nicht lange mehr und er wäre ernstlich erkrankt.
   Da zum Glücke erkannte man seine Unpäßlichkeit, man gab ihm zur Arznei Erholung, Freude und Lust, und siehe da! mit neuen Kräften ist er erstanden, neu erstarkt mit frischem Leben in den Adern gab er am 9. Februar 1861 riesige Beweise seiner wieder erlangten Gesundheit. 
   So dachten wir uns stets einen wahren Sänger-Abend, Kunst und Frohsinn gleich repräsentirt; der Frohsinn in fröhlichen Chören, heiterer und geselliger Unterhaltung, in der Menge und Verschiedenheit der Maskenanzüge und anderen scherzhaften Piecen.
   [...] Aber nicht bloß für den Frohsinn ward gesorgt, auch der Kunstliebhaber ging gewiß befriedigt von dannen. 
   Der schönste Beweis, was die Liedertafel kann, ist der, daß in Mitten der Lust, wo alle Fiber der Fröhlichkeit erregt sind, wo wir bei derlei Scherz-Abenden in gesanglicher Beziehung nur mittelmäßiges zu hören gewohnt waren, eine solche Präcision in der Aufführung herrschte, daß im vollen Taumel der Freude und Heiterkeit der unübertrefflich gesungene Chor "Der fahrende Student", von Speidel, Thränen der Rührung in die Augen lockte; das war die Krone der Bemühung, darauf kann die Liedertafel stolz sein.
   Möge sie in ihrem Kunststreben sich eng an ihren tief und gründlich gebildeten Chormeister Herrn Brukner anschließen, in ihm erkennen wir den Mann, der sie zum Ruhme und zur Ehre führen kann. 
   [Textlücke?] Möge aber auch die Liedertafel einen wohlgemeinten Rath nicht verschmähen, möge sie Kunst und Geselligkeit in gleicher Weise pflegen, möge sie wohl nicht zum Unterhaltungs-Verein herabsinken, aber auch nicht der Kunst ausschließlich sich widmen, damit sie ihren eigentlichen Zweck nie aus den Augen verliere.
   Das Deutschen Liedesklänge sollen nicht stets nur in ungeselligen Concerten und für diese gepfleget werden; nicht im schwarzen Frack und weißer Weste mit ängstlich bebender Brust müssen sie gesungen werden, um ihren mächtigen Eindruck auszuüben: der freien, frohen Brust müssen sie entströmen, in geselligen Kreisen müssen sie ertönen, von heiteren, lebenslustigen Sängern müssen sie gesungen werden - dann wird die Größe seiner Macht offenbar, dann wird bei seinen trüben Weisen Wehmuth die Brust des Hörers durchzucken, dann wird das Herz frischer und freier schlagen bei den frohen Klängen, dann wird das Lied den Sieg erringen, wird Sänger und Zuhörer gleich begeistern, und nur so und auf solche Weise ist der Liedertafel langes und kräftiges Bestehen möglich, nur so werden die ausübenden und unterstützenden Mitglieder mit gleicher Lust und Liebe an diesem so schönen Vereine hängen.« (*).

[10.2.1861?] Bei der Beerdigung von Josefine Hafferl, der Mutter des »Frohsinn«-Vorstandes Josef Hafferl, wird der Chor »Am Grabe« [WAB 002] vom »Frohsinn« unter Bruckners Leitung uraufgeführt (**), und zwar in der Kirche und am Grab (***).

Eintragung Bruckners im dritten Sechter-Studienband (WAB 248) auf der 3. Seite des 51. Doppelbogens:
"Den 11. Febr. [1]861."
Datierung auch auf der 7. Seite dieser Lage am Ende des zweiten achtstimmigen Kanons: "11. Februar 9 Uhr Abends." (°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 186102115, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-186102115
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11