zurück 7.12.1864, Mittwoch ID: 186412075

Besprechung der d-moll-Messe im Linzer Abendboten Nr. 280 auf S. 2:
»[Signatur: erinnert an ein griechisches Omega] Wenn eine Tondichtung, wie A. Bruckner's neue Messe in D, einen gleich mächtigen Eindruck auf Kenner und Laien ausübt, so manifestirt sie sich damit schon als das Werk eines bedeutenden, auf eigenen Füßen einherschreitenden Talents und verdient in unserer, an vorzüglichen productiven Talenten gewiß nicht reichen Zeit nicht bloß allgemeine Anerkennung, sondern auch die Aufmunterung wohlmeinender, aber unpartei'scher Stimmen der Kritik. Wir bitten, das Nachfolgende als einen kleinen Beitrag zu einer solchen zu betrachten. Auf manchen Hörer mag die Messe einen befremdenden Eindruck gemacht haben, weil der pathetisch schwungvolle Tonbau, die frische Rhythmik, das lebhafte Colorit der Instrumentation weit über die hergebrachte Form der gewöhnlichen Messen hinausgehen. Ist auch der erste Satz Kyrie (D-moll) mit seinen dissonirenden Vorhalten ernst und düster gehalten, so bringt die Triolenbewegung der Saiten-Instrumente rhythmisches Leben in die Monotonie des wohl etwas zu lang ausgesponnenen Satzes. Mit dem Gloria (D-dur) nimmt jedoch der Componist einen hohen Aufschwung, der bei der Schlußfuge des Amen den Culminationspunkt erreicht. Die complicirt formelle Struktur dieses Satzes mit seiner lebendigen Figuration der Saiteninstrumente zu den breiten Akkorden der Posaune bringen den Ausdruck des Lobgesanges zur vollsten Geltung. Nach dieser herrlichen Nummer konnte das folgende Credo weniger befriedigen. Unter Anerkennung mannigfacher Schönheiten, vermißten wir vor Allem Einheit der Form. Hier war Manches künstlich, aber nicht so künstlerisch wie in den übrigen Sätzen. Sanctus und Benedictus wirkten dagegen durch eine wohlthuende Einfachheit. Mit dem Agnus Dei schließt in weihevoller Stimmung ein Werk, das durch tiefes Studium, geistvolle Conception und gediegene Durcharbeitung hervorragend sich den besten Compositionen im Gebiete der Musica sacra anreiht. Der Ausführung, deren Hauptschwerpunkt in der Instrumentalpartie liegt, müßen verdientes Lob und Anerkennung gezollt werden. Für die Sänger waren die schwierigen Intonationen keine leichte Aufgabe, welche aber befriedigend gelöst wurde. Die Stimmen des Frl. Schimatschek und des Herrn Weilnbök klangen prächtig und mächtig in dem Raume des Domes. - Sehr erfreulich ist es, die angeregte Wiederholung des ausgezeichneten Werkes auch schon gesichert zu wissen, da die Subscription auf Sperrsitze den besten Fortgang nimmt und keinen Zweifel an dem Gelingen übrig läßt.«


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 186412075, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-186412075
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11