zurück 8.2.1865, Mittwoch ID: 186502085

Bericht der Linzer Zeitung Nr. 31, S. 127, (datiert 6.2.1865) über die Aufführung des Trauungsliedes [WAB 49] am Sonntag:
»Musikalisches.
   + Linz, 6. Februar. Vergangenen Sonntag Nachmittags hatten wir Gelegenheit, eine neue Komposition Anton Bruckner's zu hören. Es feierte nämlich an diesem Tage ein Mitglied der Liedertafel „Frohsinn” in der Stadtpfarrkirche seine Vermählung. Bruckner, ein trauter Freund des Bräutigams, komponirte diesem zu Ehren ein Trauungslied für Männerchor und Orgelbegleitung, wozu ihm Dr. Isidor Proschko die Worte lieferte. Die Liedertafel trug diese Komposition bei der Vermählungsfeier vor, und der Komponist leistete dazu selbst die Orgelbegleitung.
   Das Lied heißt:
   O schöner Tag, o dreimal sel'ge Stunde!
   Wo ich empfing, das neue Sakrament,
   Wo Gottes Priester meine Hand gesegnet
   Zum heil'gen Bunde, den der Tod nur trennt.
   Wollt ihr sanft wie Engel wandeln
   Eure Bahn durch diese Zeit,
   Nehmt im Denken, nehmt im Handeln 
   Nur den Frieden zum Geleit.
   Die erste Strofe des Liedes übertrug Bruckner dem vollen Chore, in der zweiten tritt das Soloquartett in sanften Tönen ein, worauf der Chor die erste Strofe wiederholt.
   Bei Anhörung dieses Chores befestigte sich in uns auf's Neue die Ueberzeugung, daß Bruckner, der durch seine große Messe vor kurzer Zeit in Linz gerechtes Aufsehen erregte, auch nicht Eine Komposition, wie es gar so häufig namentlich bei Gelegenheitsgedichten geschieht, schablonmäßig hinschreibt. Er behandelt jeden Stoff, auch den kleinsten künstlerisch, und stellt ihn als originelle Geistesschöpfung hin.
   Im angeführten Trauungsliede herrscht die tiefste, religiöse Weihe, nicht Ein Ton erinnert an etwas Weltliches; nur der kirchliche Akt, der so eben vollzogen wurde, kommt durch die Komposition zum Ausdruck. 
   Gewiß ist dies der allein richtige Standpunkt, von dem aus der gegebene Stoff behandelt sein muß. 
   Wir hörten unter den zahlreichen Zuhörern eine Stimme, welche meinte: die Komposition sei wohl recht schön, aber gar zu ernst gehalten. Wir können dieser Ansicht nicht beistimmen; sondern entgegnen, daß hier „keine Hochzeit mit Ball” sondern der rein religiöse Akt der priesterlichen Einsegnung besungen wurde. - » (*).

Brief von Marie Kerschbaum an den »Frohsinn«:
»Mitwoch den 8./2. 865.
   Löbliche Liedertafel!
   An dem glücklichsten Tag meines Lebens, am Tage meiner Vermählung war es vor allem die löbliche Liedertafel Frohsinn”, die sowohl durch Ihren ergreifenden Trauungsgesang als auch durch Übersendung eines so schönen Hochzeitsgeschenkes einen für mich überaus ehrenvollen Antheil an meiner Vermählungsfeier nahm.
   Gleichwie die Erinnerung an diesen Tag nie meinem Gedächtniße entschwinden kann, werde ich mich auch jener stets mit Dankbarkeit erinnern, die durch Ihren Antheil diesen Tag so verschönerten und es wäre mein innigster Wunsch bald Gelegenheit zu finden, diese Dankesschuld wenigstens theilweise abtragen zu können.
   Kann ich daher der löblichen Liedertafel je wieder ein Mahl auch nur den kleinsten Dienst erweisen, so wird es mir eine besondere Freude sein, und Dieselbe wird niemand bereitwilliger dazu finden als
   Ihre
   ergebene
   Marie Kerschbaum mp.« (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 186502085, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-186502085
letzte Änderung: Dez 23, 2023, 20:20