zurück 13.9.1869, Montag ID: 186909135

Brief Bruckners an Herbeck:
      Dankt für das durch Herbecks Fürsprache beim Obersthofmeisteramt erhaltene Geld [Feriengeld, vgl. 13.7.1869]. In Linz wohne er im Priesterseminar und plage sich mit den Proben zur e-Moll-Messe. Lädt Herbeck im Auftrage Bischof Rudigiers zur Aufführung der e-moll-Messe am 29.9.1869 und zur bischöflichen Tafel ein, berichtet von der Fertigstellung der d-moll-Symphonie (»Nullte«) (*).

Vorbesprechung der e-moll-Messe im Linzer Volksblatt Nr. 209 auf S. 5 (**), vermutlich durch Josef Seiberl (signiert "S.") (***):
»                            Bruckners Festmesse.
            S. Die zur Feier der Einweihung der Votivkapelle des neuen Domes in Linz eigens hiezu componirte Festmesse von k. k. Hoforganisten und Professor Anton Bruckner ist in jeder Beziehung ein contrapunctisches Meisterwerk, eine durchwegs originelle Composition.
    Überall begegnet man der würdigsten Auffaßung der erhabenen Textworte, überall dem edelsten, musikalischem [sic] Ausdruck. Auf tausendfach verschlungenen Wegen brausen die gewaltigen Tonwellen daher und bilden in der wundervollsten Harmonie einen mächtigen Strom, der das Herz mit Gewalt packt und fortreißt zu demuthsvollster Andacht, zu frommer Begeisterung, zu freudigem Jubel, wie zu der tiefsten Rührung.
    Im streng palestrinisch gehaltenem [sic] Kyrie herrscht die reichste Polyphonie. Bruckners so überaus kunstvoller achtstimmiger Satz, in welchem im manchen Theile der Messe zwei oft drei selbstständige Themen nebeneinander hergeführt werden, reißt geradezu zur Bewunderung hin. Großartig und effektvoll ist das Gloria, in welchem gegen das Ende zu eine prachtvolle Fuge ertönt. Das pompöse "Credo," das mit der höchsten Wahrheit des Ausdruckes so tief empfundene "Et incarnatus est" so wie das bis aufs Höchste gesteigerte "Et resurrexit" machen den gewaltigsten und erhabensten Eindruck.
     Außerordentlich schön klingt die so künstlich, canonische Verknüpfung der Stimmen beim Sanctus. – Dann das Benedictus! Wir glauben, daß das Benediktus der harmoniereichste, zugleich aber auch der schwerste Theil der Messe ist.
    Bei den überraschendsten Harmonie=Wendungen und kühnem [sic] Einsetzen der Vocal=Stimmen läuft es einem wie heiligen [sic] Schauer, durch die Seele und Bewunderung für den genialen Tonsetzer ergreift uns.
     Herrlicher, tiefer empfunden kann der Text "Agnus Dei" und "miserere nobis" kaum mehr aufgefaßt werden, als es hier der Fall ist. Den Vocal=Stimmen schließt sich auch eine äußerst gewählte, durchwegs meisterhaft gehaltene Begleitung der Instrumente an.
    Wir gratuliren dem Herrn Professor Bruckner aus vollster Seele zu dieser großartigen Schöpfung und zweifeln nicht, daß ihm auch die höchste Anerkennung dafür zu Theil werde.« (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 186909135, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-186909135
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11