zurück 13.10.1871, Freitag ID: 187110135

Eine Notiz im Musikalischen Wochenblatt (Leipzig) Nr. 42, S. 670, bestätigt, daß Bruckner beim Londoner Orgelwettkampf den 1. Preis gewonnen hat:

     » * Die bereits vielfach gebrachte und als verfrüht erwiesene Nachricht, dass Hr. Hoforganist A. Bruckner in Wien bei dem Concurrenzspiel in London als Sieger hervorgegangen sei, scheint sich schliesslich noch bewahrheitet zu haben.« (*).
In der Rubrik "Journalschau" auf S. 13 ist verzeichnet:
     "Zeitschrift für katholische Kirchenmusik No. 9. Mittheilung der Red. über einen Sieg des Hrn. A. Bruckner als Orgelspieler." (*a).
 
Artikel in der Linzer Tages-Post Nr. 235 auf S. 3 über die Geschehnisse an St. Anna (Übernahme des Textes der Morgenpost vom 12.10.1871). Bruckner habe sich wegen einer Anstellung in München an König Ludwig II. gewandt. 
           »Linz, den 12. Oktober 1871.
     § Professor Bruckner das Opfer einer perfiden czechischen Denunziation. Eine eigenthümliche, schulräthliche Maßregelung, welche die Aera Jirecek um ein Räthselhaftes vermehrt, macht jetzt in musikalischen Kreisen viel von sich sprechen. Die Sache ist folgende: Eine eigenthümliche, schulräthliche Maßregelung, welche die Aera Jireczek um ein Räthselhaftes vermehrt, macht jetzt - so schreibt man uns - in musikalischen Kreisen viel von sich sprechen. Die Sache ist folgende: Vor Kurzem kehrte der am Wiener Pädagogium als Professor des Orgelspiels angestellte k. k. Hoforganist, Herr Bruckner, aus London, wo er sich einige Zeit zu Kunstzwecken aufhielt, hieher zurück und war sich keines Argen bewußt, als er sich eines Tages mittelst Zitation vor dem Schulrath des Pädagogiums beschieden sah. Hier wurde er vom Schulrath Becker mit vorwurfsvoller und barscher Rede empfangen und ihm eröffnet, daß er seiner Stelle enthoben sei. Nech dem Grunde dieser plötzlichen Entlassung fragend, erhielt Herr Bruckner nach längerem Drängen die Aufklärung, daß eine anonyme Anzeige ihn beschuldigt habe, daß er seinen Schülerinnen den Hof mache, einzelne von ihnen vor den anderen begünstige etc. Prof. Bruckner wagte es in seiner bekannten Bescheiden= und Schüchternheit nicht, auf diese Insinuation die gebührende Antwort zu geben und nahm die Entlassung an, obschon es sich hiebei buchstäblich um seine Existenz handelte.
     Ausgezeichnet mit den höchsten Preisen auf mehreren Weltausstellungen für seine Verdienste um die Orgelmusik, folgte er der Berufung an das hiesige Pädagogium, bezog hier für seine Professur einen Jahresgehalt von 1200 fl. und als vierter k. k. Hoforganist einen Zuschuß von 200 fl. Dieser Subsidien sieht er sich nun beraubt. In der Angst um seine Zukunft wandte er sich an den König von Baiern, um für sich eine passende Stellung an einem Münchener Institute zu erbitten, und erwartet jetzt von der königlichen Antwort sein Heil oder Weh'. Jene anonyme Denunziation aber, welche den deutschen Professor Bruckner in die Lage setzte, einem czechischen Nachfolger Platz zu machen, entspricht nur insofern der Wahrheit, als der Herr Professor ein Mal eine Schülerin mit „Liebes Kind” angesprochen und hinzugesetzt, daß er mit ihren Leistungen sehr zufrieden sei.« (**).

Die Neue Freie Presse Nr. 2563 schreibt nahezu identisch auf S. 1 des Abendblatts:
     "(Das Opfer einer Denunciation.) Wir lesen in der Linzer Tgspst.: Eine eigenthümliche, schulräthliche Maßregelung, welche die Aera Jirecek um ein Räthselhaftes vermehrt, macht jetzt in musikalischen Kreisen viel von sich sprechen. Die Sache ist folgende: Vor Kurzem kehrte der am Wiener Pädagogium als Professor des Orgelspiels angestellte k. k. Hof=Organist Herr Bruckner aus London, wo er sich einige Zeit zu Kunstzwecken aufhielt, zurück und war sich keines Argen bewußt, als er sich eines Tages mittelst Citation vor den Schulrath des Pädagogiums beschieden sah. Hier wurde er vom Schulrathe Becker mit vorwurfsvoller und barscher Rede empfangen und ihm eröffnet, daß er seiner Stelle enthoben sei. Nech dem Grunde dieser plötzlichen Entlassung fragend, erhielt Herr Bruckner nach längerem Drängen die Aufklärung, daß eine anonyme Anzeige ihn beschuldigt habe, daß er seinen Schülerinnen den Hof mache, einzelne von ihnen vor den anderen begünstige etc. Professor Bruckner wagte es in seiner bekannten Bescheidenheit und Schüchternheit nicht, auf diese Insinuation die gebührende Antwort zu geben, und nahm die Entlassung an, obschon es sich hiebei buchstäblich um seine Existenz handelte. Ausgezeichnet mit den höchsten Preisen auf mehreren Weltausstellungen für seine Verdienste um die Orgelmusik, folgte er der Berufung an das hiesige Pädagogium, bezog hier für seine Professur einen Jahresgehalt von 1200 fl. und als vierter k. k. Hof=Organist einen Zuschuß von 200 fl. Dieser Subsidien sieht er sich nun beraubt. In der Angst um seine Zukunft wendete er sich an den König von Baiern, um für sich eine passende Stellung an einem Münchener Institute zu erbitten, und erwartet jetzt von der königlichen Antwort sein Heil oder Wehe. Jene anonyme Denunciation aber, welche den deutschen Professor Bruckner in die Lage setzte, einem czechischen Nachfolger Platz zu machen, entspricht nur insofern der Wahrheit, als der Herr Professor einmal eine Schülerin mit „liebes Kind” angesprochen und hinzugesetzt, daß er mit ihren Leistungen sehr zufrieden sei." (***).
 


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 187110135, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-187110135
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11