zurück August 1872 ID: 187208005

Artikel in Haberts Zeitschrift für katholische Kirchenmusik, 5. Jahrgang, Nr. 8, S. 64, über die f-Moll-Messe am 16.6.1872:
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     Am 16. Juni ist in der Augustinerkirche in Wien die grosse Messe in F von Anton Bruckner, dem Wiener Hoforganisten und Prof. am Konservatorium, aufgeführt worden. Der Komponist dirigirte sein Werk, das so lange eine papierne Existenz geführt hatte. Die Messe Bruckner's ist eine Komposition, die von der Erfindungskraft und dem ungewöhnlichen Können des Komponisten das rühmlichste Zeugniss ablegt. Mit poetischem Verständniss hat er sich in die vom Messtexte geschaffenene Situationen vertieft und seine enorme kontrapunktische Kunst macht es ihm leicht, die schwierigsten Probleme spielend zu lösen. Uebrigens konnte der treffliche Tonkünstler dem Reize nicht widerstehen, dem Texte bin in die kleinsten Details zu folgen, ein Verfahren, das ihn (wie z. B. im Credo) allzusehr in die Breite führt und das die Gesammtstimmung des Satzes bedroht. Sodann lässt er sich von dem dramatischen Gehalte des Textes verführen, hin und wieder an das Theatralische zu streifen, wie gerade wieder im Credo, wo man sich einmal mitten in einer christlichen Wolfsschlucht zu befinden meint. Im Ganzen aber ist Bruckner's Messe ein Werk, das für das Wissen und Können des Komponisten grossen Respekt einflösst.
                                                        (Wiener Fremdenblatt.)« [= Fremdenblatt vom 20.6.1872].


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 187208005, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-187208005
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11