zurück 25.10.1885, Sonntag ID: 188510255

Das Grazer Volksblatt Nr. 244 berichtet auf S. 5f zweifach von der Versammlung des Cäcilien-Vereins am 21.10.1885:
"Zu den Aufführungen in der Domkirche
sendet Herr Pfarrer A. Str. Folgendes: 1)
[Fußnote: 1) Erhalten Samstag Vormittag. Das manuscript besagt am Ende: "Schluß folgt".]
     "Es ist eine schwere Sache mit großer Verantwortung, über eine öffentliche, mit unsäglicher Mühe, monatelangen Studien und großen Auslagen vorbereitete Aufführung Bericht zu erstatten, dabei unparteiisch Lob und Tadel zu vertheilen. Leider muß auch letzterem sein Recht gewahrt werden, so unangenehm es für den Schreiber und den Leser sein mag, denn gerechter Tadel führt bei guten Menschen zur Vollkommenheit.
     Der erste bedeutende Tadel betrifft die Wahl der Litanei op. 28 von Dr. Fr. Witt. [... zu schwer ... die "Alten" Palestrina und Croce wertvoller als Gabrieli ...]
     Unter den Neuern ist der vielgesungene M. Haller mit einem Ave Maria vertreten [... schön ... P. Preil anspruchslos und lieblich ...]
     Als Dritter im Bunde der "Neuen" bringt Herr A. Bruckner in Wien ein Motett: Tota pulchra, dessen Anlage mit dem vorsingenden Tenor und nachsingendem Chore wenigstens bei dem Schreiber dieses keinen Anklang gefunden hat, vielmehr wurde ich stark an den Hahn mit seiner Schaar Hühner erinnert. Das Stück war jedoch sehr, wohl zu sehr effectvoll, namentlich gilt dies vom Schlusse.
     Donnerstag der 22. October ließ sich ganz wohl an. [... über die Festmesse ... Orgelvorführung im Stephanien-Saal ... Lob für die maßvolle Programmgestaltung ... 1880 in Kufstein zu lang], so daß das Ganze circa drei Stunden dauerte.
     Da vergeht auch dem begeistertsten Cäcilianer die Geduld, selbst wenn er ein Tiroler ist.
               (Schluß folgt.)
[... 2. Teil am 27.10.1885 ...]
Der Cäcilien=Verein der Diöcese Seckau.
[...]
     Da von den Aufführungen im Dome ein anderer unserer Freunde eingehend berichtet hat, so erwähne ich nur [... über die zwei beteiligten Chöre ...]
     Das Tantum ergo von Liszt und das tota pulchra von Bruckner wollen, weil sie zu sehr von dem Geiste moderner, weltlicher Musik angehaucht erscheinen, einem echten Cäcilianer nicht recht gefallen. Das Motett Ave Maria von Haller war uns schon von vorhinein sehr sympathisch [... über die Kirchenmusik am 22.10.1885 ... Signatur:]      J. P." (*).
 
Der Berichterstatter vom "Vaterland" Nr. 293, signiert "y.", fällt auf S. 9 ein anderes Urteil:
     "Generalversammlung des Diöcesan-Cäcilien-Vereines Seckau.
          (Originalbericht des "Vaterland".)
               Graz, 22. October.
     Gestern und heute tagte hier die achte Generalversammlung des Diöcesan=Cäcilien=Vereines Seckau. [... Domchor durch Seminaristen und Alumnen verstärkt ... Witt, Liszt ...] Die Neueren, fußend auf den Principien der Alten waren durch Haller's Ave Maria und durch Piel's, durch seine einfache Schönheit bestechendes Sanctus et Benedictus aus op. 46 vertreten, während das Tota pulchra des genialen  Hoforganisten Professor A. Bruckner zeigte, wie selbst die Mittel der neueren Musik Chromatik und Enharmonik, bescheiden angewendet, vom Heiligthum nicht ausschließen. [... Lieder aus dem Gesangbuch, Chöre der alten Meister ... anwesend: P. Joseph Heidenreich aus Wien, Vorstand: Dr. J. Weiß, Dr. Fraidl, J. E. Haimasy ... über die Zukunft des Vereins ...] Möge darum der vom heil. Stuhle approbirte Verein immer größeren und weiteren Boden finden in unserem lieben Oesterreich.       y." (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188510255, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188510255
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11