zurück 20.7.1887, Mittwoch ID: 188707205

Brief Bruckners an Hans Richter:
     Nimmt eine Einladung nach Naßwald an (*).

Ausführliche Besprechung der Aufführung der 7. Symphonie [am 18.11.1886] durch  Jacques Hartog in der Neuen Zeitschrift für Musik Nr. 29 auf S. 334:
                     "Amsterdam.
     Noch liegt eine Fülle Notizen über Musik und Musiker vor mir; die Wahl ist schwer; das Bedeutendste daraus behält aber den Vorrang, [... über ein Chorkonzert ...]
     Nicht so erquickend war im Allgemeinen die Stimmung nach der Ausführung des ersten Concertes des Orchestervereins "Cäcilia" unter Leitung des tüchtigen Dan. de Lange. Da gab es Neues  und Altes; das Letzte sogar in neuer Form, folglich brachte das Programm für hier nur Neues. Es lautete: Symphonie Nr. 7 (Edur) von Anton Bruckner; Tasso von Liszt und die 4. Symphonie von Beethoven mit Riemann'scher Phrasirung. Dem Programm war auch etwas Neues hinzugefügt und zwar eine Erläuterung der betreffenden Werke. Schon lange Zeit voraus wußten die Tagesblätter von einer "prachtvollen" Symphonie eines "berühmten" Bruckner zu erzählen. Eines fragte das andere: wer kennt sein erstes halbes Dutzend Symphonie? u. s. w. Niemand wußte zu antworten, daher wohl die große Spannung, womit Alle diesem Wunderwerk entgegen kamen.
     Schon während der Ausführung war Langeweile auf allen Gesichtern zu lesen und beim Schluß war man "enttäuscht"; der einzige Wortlaut, der über die Lippen aller ehrlichen, aufrichtigen Musikverständigen kam. Ganz Unparteiische können nicht anders urtheilen, denn schon das Zuhören war eine Zumuthung. Trotz alledem wurde applaudirt. Noch immer stehe ich bei der Frage: woher kam dies Werk? Das Ganze liefert nur entsetzliche Farben, wühlende Harmonien, sehr gedehnte Dimensionen einzelner Theile und - das große Wort muß heraus - wenig Originelles; dagegen aber massenhafte Anklänge an Bekanntes der neueren Literatur. Als ich vor Kurzem Kretzschmar's Werk durchblätterte, fand ich meine Ansicht völlig bestätigt und wurde zu gleicher Zeit dahin belehrt, daß "der Componist ein Talent der Nachdichtung entwickelt"; der Entwickelung der Ideen fehlt aber die Logik und der Zusammenhang. Mir ist es unbegreiflich, daß ein tüchtiger Dirigent ein solches trockenes, dürres, langweiliges Werk aufs Programm bringen kann. Als kurze Zeit danach Bruckner's unzusammenhängendes Streichquintett in F in einer Kammermusik=Soirée ausgeführt wurde, erschien es bewiesen und entschieden, daß Bruckner wenig Hoffnung hat, hier ein breites Feld für sich gewinnen zu können.*) [Fußnote der Redaktion:] *) In Deutschland urtheilt man allerdings gerechter über Bruckner und seine Werke. Hoffentlich bekehren sich die Amsterdamer Musikfreunde nach gründlichem Studium von Bruckner's Schöpfungen zu der bei uns geltenden Ansicht von des Componisten hoher Bedeutung als Symphoniker.    Die Red. [im Haupttext:] Ganz anders wirkte Liszt's geistvolle symphonische Dichtung Nr. 2 »Tasso« [ ... positive Besprechung von Tasso und Beethovens Vierter; die Riemannsche Phrasierung machte sich im Hörerlebnis nicht bemerkbar ... über die Bearbeitungssucht ... über weitere Konzerte ... Signatur auf S. 335:] Jacques Hartog." (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188707205, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188707205
letzte Änderung: Mai 04, 2023, 7:07