Auf dem Währinger Friedhof Exhumierung der sterblichen Überreste Beethovens (*).
„[…] Zu diesem ernsten Acte versammelten sich gestern vor 4 Uhr Nachmittags nächst der zwischen den Gräbern von Schubert, Nestroy, Seyfried, Clement und van der Nüll gelegenen Gruft die Commissionsmitglieder, einige Musiker etc. […] Als der Deckel abgehoben war, zeigte sich ein vollkommenes, auf den ersten Anblick tadelloses Skelett. Nur die Schädelknochen waren zerfallen. […] Der Sarg wurde hinabgetragen und alle Anwesenden folgten ihm entblößten Hauptes im Zuge. In den kleinen Raum der Kapelle aber fanden nur Wenige Zutritt. […] Wangenbreite 109 Millimeter, Jochreite [sic] 199, Nasenwurzelbreite 28, kleinste Stirnbreite 107, Oberkieferhöhe 64, Nasenhöhe 44.2, Nasenbreite 26.5, ganze Gesichtshöhe 110, Augenhöhle Höhe rechts 36, Breite 43.3, Höhe links 36, Breite 41, Gaumenbreite 51, Stirnbeindicke links 7.5 und rechts 7 Millimeter. Aus den Messungen ergab sich, daß Beethoven’s Schädelbildung keine ungewöhnlich schöne war, welche auf hohe Intelligenz hindeutete. Nach der Zusammenstellung der einzelnen Gesichtspartien muß der große Tondichter ein sogenanntes Mulattengesicht gehabt haben, mit überaus stark hervortretenden Mundpartien. Zähne hatte Beethoven vortreffliche; die Elfenbeinmasse ist heute noch intact. Die Untersuchung währte 20 Minuten und hätte wohl noch länger gedauert, wenn der Bezirkshauptmann nicht verlangt hätte, der pietätlosen Handlung ein Ende zu bereiten. […] Nach den wissenschaftlichen Messungen verbreitete sich das Gerücht, daß von Beethoven’s Schädel zwei Backenzähne aus dem linken Oberkiefer abhanden gekommen seien. […]“ (*a).
Bruckner nimmt in Begleitung Hrubys und anderer Schüler - z.B. Ludwig Grande (#) - daran teil [siehe die Anmerkung]. Trotz Zutrittsverbot gelingt es ihm, in der Kapelle den Schädel Beethovens in die Hand zu nehmen (**).
Er soll ein Glas aus seinem Zwicker [?!] in Beethovens Sarg verloren haben (***).
Von der Exhumierung berichtet die Wiener Allgemeine Zeitung Nr. 2988 auf S. 2 des Sechsuhr-Abendblatts:
"[Exhumirung der Leiche Beethoven's.] Heute um 4 Uhr Nachmittags fand auf dem Währinger Ortsfriedhofe die Exhumirung der Leiche Ludwig van Beethoven's statt. Anwesend waren Vice=Bürgermeister Dr. Prix, Magistrats=Director Bittmann, Magistratsrath Lekisch, Archivar Weiß, Gemeinderath Vaugoin, Obmann der Friedhofs=Commission, Gemeinderäthe Goldschmidt und Stiaßny, Dr. Löffler in Vertretung des Stadtphysicates, ferner vom Directionsrathe der Gesellschaft der Musikfreunde Dr. v. Bräunig, Professor Bruckner, Capellmeister Alphons Czibulka, Componist Koch v. Langentreu. Sanitätsrath Dr. Witlacil leitete den feierlichen Act. Alle Anwesenden nahmen rings um das Grab Aufstellung und nun schritten die Arbeiter zur Oeffnung der Gruft. Nach kurzer Zeit war der Sarg, der ziemlich gut erhalten ist, bloßgelegt und hierauf geöffnet. Nach Constatirung der Identität wurde der Holzsarg in einen prächtigen Metallsarg, welcher die Buchstaben "L. B." zeigt, gelegt, worauf der Sarg wieder geschlossen wurde. Auf dem Sargdeckel befindet sich folgende Inschrift:
"Ludwig van Beethoven,
geb. 16. December 1770,
gest. 26. März 1827."
Der Sarg wurde sodann in die mit Blumen geschmückte Friedhofs=Capelle gebracht, um von hier auf den Central=Friedhof zur Beisetzung gebracht zu werden." (°).
Zitierhinweis:
Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188806215, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188806215letzte Änderung: Dez 17, 2024, 12:12