zurück 4.2.1891, Mittwoch ID: 189102045

Artikel über die 4. Symphonie (signiert »Dr. G.«) [= Dr. O. Grosse?] in der Grazer Morgenpost Nr. 27 auf S. 1:
"Viertes Mitglieder=Concert des steiermärkischen Musikvereines.
     Es kann nicht geleugnet werden, dass der steiermärkische Musikverein seine Concerte in dieser Saison durchwegs anziehend zu gestalten trachtet. Dies gilt insbesonders auch von dem vorgestrigen Concerte, welches, den drei ersten würdig zur Seite stehend, uns die Bekanntschaft mit einem neuen symphonischen Werke und einem neuen (allerdings nur provisorischen) Dirigenten vermittelte. [... über Bruckners Bedeutung, seine 7. Symphonie, ... großes Talent, kein Genie ... ihm fehlt "der göttliche Funke!" ...] Bruckners Ideen sind einfach, prägnant und edel, erscheinen aber doch nicht als Zeugnisse göttlicher Eingebung und verdanken ihre Wirkung großentheils dem glänzenden Gewande, in welches sie der Componist durch abwechslungsreiche thematische Arbeit und mittelst der raffinierten Zauberkunst der modernen Instrumentierung zu kleiden weiß. [... über das Werk, überraschenderweise ohne Harfe, die besser als das Pizzicato zum Bratschensolo im 2. Satz passen würde ... unbefriedigender Schluss, da nach der] langandauernden Ruhe anstatt der erwarteten entsprechend großen und ausgedehnten Steigerung ein mit wenigen Takten bewerkstelligter rascher Abschluss folgt. Diese Symphonie, welche unter Leitung des Herrn Josef Schalk, Professors am Wiener Conservatorium und Dirigenten des Wiener akademischen Wagner=Vereines, eine bei der schwierigen Ausführbarkeit des Werkes doppelt anerkennenswerte vorzügliche Wiedergabe erfuhr, errang einen großen, durch stürmischen Beifall und Hervorruf des Dirigenten gekennzeichneten Erfolg. In Herrn Schalk, unter dessen Leitung auch Beethovens Coriolan=Ouverture und Wagners Siegfried=Idyll in gediegener Weise zu Gehör gebracht wurden, lernten wir einen trefflichen Dirigenten kennen, welcher mit Ruhe und Umsicht auch begeisterndes Temperament verbindet und das Orchester mit sicherer Hand zusammenzuhalten versteht. Ein Antheil an dem Verdienste der gelungenen Aufführung der Symphonie gebürt [sic] auch dem tüchtigen hiesigen Operettenkapellmeister Herrn Franz Schalk, welcher die ersten Proben in von Sachkenntnis zeugender Weise leitete.
          Dr. G." (*).

Über die Grazer Aufführung referiert auch »Die Presse« Nr. 34 auf S. 11:
"Theater- und Kunstnachrichten.
[...]
     – Aus Graz wird uns geschrieben: "Am vorigen Sonntag brachte der Steierkärkische Musikverein Anton Bruckner's vierte Symphonie, die "romantische", unter der Leitung des Dirigenten des Wiener Wagner=Vereins, Herrn Josef Schalk, zur Aufführung. Die Wiedergabe des schwierigen Tonwerkes war recht gelungen, ein Verdienst des Herrn Schalk, welcher sich als ein ebenso gewandter wie künstlerisch durchbildeter Dirigent erwies. Wir wissen nicht, ob Herr Schalk auf die erledigte Stelle des artistischen Directors am hisiegen Musikverein aspirirt, wie die Dirigenten der beiden dem sonntäglichen vorangegangenen Concerte, die Herren Karl Pohlig, früher in Weimar, jetzt hier, und W. E. Degner, gleichfalls aus Weimar. Sollte dies aber der Fall sein, so wird dem Musikverein die Wahl zwischen den beiden erstwerwähnten Bewerbern nicht leicht werden, da Pohlig den Befähigungsnachweis für den Dirigentenberuf trefflich erbrachte. Ueberhaupt hätte der Musikverein wol besser gethan, voneinem Probe=Dirigiren Umgang zu nehmen, da Herr Pohlig diesem Vereine als Leiter der Clavierschule bereits seit Längerem angehört und mit den einschlägigen Verhältnissen vertraut ist. Künstlern gegenüber, wie die Herren Schalk und Pohlig, erscheint die Mitbewerbung Degner's gänzlich belanglos" " (**).

Brief Cosima Wagners an Chamberlain:
    Antwortet auf den Brief vom 26.1.1891, erwähnt Dr. Boller, Bruckner und Hans Richter (***).

Bericht über die 3. Symphonie (signiert ”-n.”) im ”Vaterland” Nr. 34 auf S. 6. Er geht nicht auf das Werk ein, sondern rechnet mit den lieblosen Kritikern [Hanslick, Kalbeck etc. gemeint] und denjenigen ab, die Bruckners Dankesverhalten auf dem Podium bespötteln, was aber Brahms mit seinen "Faxen" erspart bleibe:
"Musikaufführung des Wiener akademischen Wagner-Vereines.
     Der Wiener akademische Wagner=Verein hat, wie schon zu wiederholten Malen seit seinem Bestande, auch heuer wieder durch eine Musikaufführung im großen Style die dankenswerthe Aufgabe auf sich genommen, unserem öffentlichen Musikleben mit einem kräftigen Rucke auf die müden Beine zu helfen und dazuthun, daß es nicht so schwierig ist, gute Programme zu machen, als es nach den von Jahr zu Jahr uninteressanter werdenden Mittagsconcerten unserer großen Concertinstitute den Anschein haben könnte. [... zwar nicht Grieg und Moszkowski, dafür Parsifal-Vorspiel und Siegfried-Idyll ...] und endlich Bruckner's dritte Symphonie in D-moll - "das nenn' ich mir einen Abgesang", möchten wir mit Hans Sachs ausrufen. [... Ovationen = Protest gegen die Unterdrückungsversuche ... Bruckners Unbeholfenheit auf dem Podium ... ] Jeder neue Angriff auf unseren Bruckner aber wird nur die Folge haben, daß die Schaar seiner Verehrer immer größer und mächtiger werden wird, weil ja Schimpf und Spott über eine gute Sache in Kreisen anständig denkender Menschen stets eine der beabsichtigten gerade entgegengesetzte Wirkung hervorbringen.      -n." (°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189102045, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189102045
letzte Änderung: Mai 23, 2024, 12:12