zurück 27.2.1894, Dienstag ID: 189402275

Fortsetzung des Briefes von Siegfried Ochs an Bruckner vom 23.2.1894, in Frankfurt geschrieben (*).

Die Linzer Tagespost Nr. 46 teilt auf S. 6 mit:
"     Wien, 26. Februar. Anfangs April kommt der Sohn Richard Wagners, Siegfried, nach Wien und wird daselbst eine Bruckner'sche Symphonie [prov. WAB 86] dirigieren." (**).

Diese Meldung erscheint auch im Grazer Tagblatt Nr. 57 auf S. 12:
"     Wien, 26. Februar. Siefried Wagner [sic], der Sohn Richard Wagners, wird demnächst in Wien eine Symphonie von Bruckner dirigieren." (***).

Über diesen Plan schreibt auch Theodor Helm im Pester Lloyd Nr. 48 auf S. 8; zuvor, auf S. 7, äußert er sich zur Verschiebung der 2. Symphonie in Wien [geplant am 14.1.1894] und zur Absage der 4. Symphonie in Budapest [geplant für den 14.2.1894]:
"                   Wiener Musikbrief.
     Im ersten außerordentlichen Gesellschaftskonzert wurde unter Herrn Gericke's Leitung Händel's "Messias" aufgeführt. [... trotz Kürzung nicht mitreißend; beim Ende um 3 Uhr war die Hälfte des spärlichen Publikums schon gegangen; Lob für Sisterman, auch für  dessen Liederabende ... Klavierabende d'Albert und Carreno ...]
     [... über das 7. philharmonische Konzert mit Berlioz' "Harold" ... Berlioz schon dreimal in dieser Saison ...] Dagegen läßt man die sich in Wien beständig mehrenden Verehrer Anton Bruckner's aus unerklärlichen Gründen auf die im Saisonprogramm eigens angekündigte zweite Symphonie des greisen vaterländischen Komponisten vergebens warten. Wenn es dem interessanten Werke nur nicht ebenso geht, wie der vierten (sogenannten "romantischen") Symphonie Bruckner's (Es-dur) in Budapest, die wir mit Befremden aus dem dortigen, für heuer angekündigten philharmonischen Programm wieder haben verschwinden sehen. Wir bedauerten die Zurücklegung der blühenden Schöpfung umso mehr, als ja Keiner berufener gewesen wäre, ihre eigenartigen Schönheiten den Budapester Musikfreunden zu vermitteln, als Direktor Nikisch, dem man mit der Erstaufführung einer anderen – der siebenten – Bruckner'schen Symphonie (E-dur) in Leipzig (30. Dezember 1884) das erste entscheidende Durchdringen des damals in weiteren Kreisen kaum bekannten hochbegabten Komponisten überhaupt dankt. Bruckner mußte 60 Jahre alt werden, bis ihn Arthur Nikisch von Leipzig aus für Deutschland und dadurch mittelbar auch wieder für Oesterreich=Ungarn neu entdeckte.
     Wie man uns sagt, soll übrigens bezüglich Bruckner's zweiter Symphonie (C-moll) der Plan bestehen, dieselbe heuer nicht mehr im Rahmen der philharmonischen Konzerte, sondern durch die Philharmoniker in einem außerordentlichen Konzerte des Wiener akademischen Wagner=Vereins zur Aufführung zu bringen. Die erste Hälfte des geplanten Konzertes sollte dann in Wagner'schen und Liszt'schen Kompositionen bestehen, dirigirt von dem Sohne, bezüglich Enkel der betreffenden Tondichter, Herrn Siegfried Wagner aus Bayreuth. Daß ein solches Dirigentendebut wegen des berühmten Namens die Wiener schon aus Neugierde massenhaft anlocken würde, versteht sich von selbst.
     Um nun rasch unsere heutigen Mittheilungen über das hiesige Musikleben in den letzten 14 Tagen vollständig zu machen, seien noch ganz kurz folgende bedeutendere Konzerte erwähnt: [... Liederabende (einer mit Paumgartner als wundervollem Klavierbegleiter), Violinabende (darunter der 12jährige Georg Enescu), Klavierabende, die 200. Tannhäuser-Vorstellung ... an Wagners Todestag "Siegfried" und Bülows Todesnachricht ...] Man möchte da fast an mehr als ein bloßes Spiel des Zufalls glauben.
                                            Dr. Theodor Helm." (°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189402275, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189402275
letzte Änderung: Mai 14, 2024, 8:08