zurück 9.6.1894, Samstag ID: 189406095

Das Deutsche Volksblatt Nr. 1951 bringt auf S. 1f einen Feuilleton-Artikel (signiert »J. S. T.«), in dem auch Bruckner erwähnt wird:
»                Dresdener Kunstbrief.
                       [Inhalts-Übersicht]
     Am Sonntag, den 22. Mai d. J., wurde im Altstädter Hoftheater, dem herrlichen Prachtbaue Semper's, Weber's ewig junger waldesfrischer "Freischütz" aufgeführt. [... Aufführungen meist besser als in Wien ("Meistersinger" ohne Striche) ... Wagner-Feier am 22.5.1894 ...]
     Durch das ganze Kunstleben Dresdens geht ein frischer Zug. In dieser schönen Elbestadt wird viel mehr musicirt, gemalt und gedichtet als in Wien. In Dresden ist man mitten darin in dem mächtigen Wellengange der deutschen Kunstbewegung. Die neudeutsche Richtung in der Musik, die durch die Namen Wagner, Liszt, Berlioz, Peter Cornelius, Bruckner und Richard Strauß repräsentirt wird, findet die wärmste Pflege. [... "Guntram" am 10.5.1894 uraufgeführt ... Anmerkungen zur Malerei und zur Stadt als solcher ...]
     Und – last not least – in Dresden gibt es sehr wenig Juden, die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist antisemitisch gesinnt. Herr Reichstags=Abgeordneter Oswald Zimmermann ist einer der geachtetsten und beliebtesten Männer Dresdens. Möge diese schöne Haupt= und Residenzstadt Sachsens auch fernerhin der Hort der nationalen monarchischen und antisemitischen Idee bleiben!       J. S. T. « (*)

Auf S. 3 des Abendblatts ein Hinweis auf die morgige Kirchenmusik:
"    * [Kirchenmusik für Sonntag den 10. Juni] [...] –  In der Gumpendorfer Pfarrkirche zu St. Aegyd kommt um 11 Uhr unter Leitung des Chordirectors Herrn Franz X. Büllik Folgendes zur Aufführung: Asperges me (Choral, vierstimmig), Messe in B von Mitterer, Graduale (Locus iste) von A. Bruckner, Offertorium (Pater noster) von Gschwandl, Soli: Fräulein Laura Petrus. Orgel: Herr Johann Deditsch. – [...]" (*a)

Diese Ankündigung erscheint auch im "Vaterland" Nr. 156 auf S. 4 des Abendblatts:
"     (Kirchenmusik.) [...] – In der Gumpendorfer Pfarrkirche um 11 Uhr (von Mitgliedern des St. Ambrosius=Vereines): "Asperges me" (Choral, vierstimmig); Messe in B von Mitterer; Graduale "Locus iste" von Anton Bruckner; Offertorium "Pater noster" von Hermann Gschwandl. – [...]" (*b).

»Die Presse« Nr. 156 kündigt auf S. 2 des Abendblatts an, daß am 10.6.1894 das »Locus iste« aufgeführt wird: "[Kirchenmusik für Sonntag den 10. Juni] [...] – Gumpendorfer Pfarrkirche zu St. Aegyd (11 Uhr): Asperges me (Choral, vierstimmig), Messe in B von Mitterer, Graduale (Locus iste) von A. Bruckner, Offertorium (Pater noster) von Gschwandl, Soli: Fräulein Laura Petrus. Orgel: Herr Johann Deditsch. – [...]" (**).

Die Neue Freie Presse Nr. 10701 bringt auf S. 1 - 3 den letzten Teil einer sechsteiligen Serie von Briefen Theodor Billroths an Eduard Hanslick (in Auswahl und Auszügen); im Brief vom 3.1.1893 wird auch Bruckner [und indirekt die 8. Symphonie] erwähnt und die Rolle der Kritiker beleuchtet [siehe auch die Anmerkung]:
"                 Aus Briefen von Billroth.
                               VI.
                         (Schluß.)*)
[Fußnote: Hinweis auf die anderen Teile, beginnend am 13.5.1894]
     Ed. H.
Die Briefe aus Billroth's letzten Jahren geben uns ein treues Bild von der geistigen Spannkraft und allseitigen Empfänglichkeit, welche der bereits Schwerkranke sich bis ans Ende bewahrt hatte. [... Würdigung der geistigen Interessen, der zunehmenden Naturverbundenheit ... sechs ausführliche Briefauszüge vom 6.1.1888 (aus Abbazia) bis März 1892 (Wien) ...]
                              Abbazia
, 3. Januar 1893.
     Durch eigene Studien und eigenes Grübeln bin ich schon lange zur Ueberzeugung gekommen, daß es für den Menschen absolute Begriffe wie "schön" und "gut" seiner ganzen Natur und seinen bisherigen socialen Gestaltungen nach überhaupt nicht geben kann; [...]
     [... abhängig von Konventionen, variabel ... schwierige Urteile über Neues in der Kunst (Fortschritt oder Rückgang?), auch in der Soziologie ... Zukunft der Musik nicht absehbar ... Mensch will neue Reize (komplizierter, polyphoner?) ...] Man kann die Motive doch nur nacheinander oder nebeneinander bringen, entweder wie sie sind oder in veränderter Form. Man kann das Einzelne und das Ganze kürzer oder länger machen. Bruckner wählt das Letztere. Daß eine Symphonie ein Concert ausfüllt, war wol noch nicht da, es ist neu; die neuen Generationen wollen vor Allem etwas Neues. Die Kritiker wollen auch etwas sein; sie klammern sich an das Neue und kommen sich dabei selbst neu und interessant vor; sie schrauben sich in ihrer bornirten Phantasie zu Vorkämpfern einer neuen Aera hinauf und kommen sich dabei viel wichtiger vor wie der Held, den sie auf ihrem Schild tragen.
     Es wäre wol ganz interessant, zu hören, was für Musik man in hundert Jahren machen wird, doch wir werden wol kaum Aussicht haben, hier am Karst oder sonstwo, wie der Meister von Palmyra, einem Geist zu begegnen, der uns ein ewiges Leben schenkt; so thun wir wol am besten, uns an dem zu erfreuen, was wir haben, und übrigens dem Grundsatze zu huldigen: "Mensch, ärgere dich nicht!"
      [... Briefauszüge vom 3.3.1893, 11.7.1893 und besonders ausführlich aus Billroths letztem Brief vom 20.12.1893 über das Böhmische Streichquartett ... Nachwort Hanslicks mit nochmaliger Würdigung Billroths ...] Nothnagel hat ihn schön und treffend mit einem geschliffenen Edelstein verglichen: "Von welcher Seite man ihn betrachten mag, immer leuchtet er in neuer Pracht." " (***).

Auf S. 5 ein Hinweis auf die morgige Kirchenmusik:
"     [Kirchenmusik für Sonntag den 10. Juni.] [...] – In der Gumpendorfer Pfarrkirche um 11 Uhr: "Asperges me", Messe in B von Mitterer, Graduale ("Locus iste") von A. Bruckner, Offertorium ("Pater noster") von Hermann Gschwandl, Solo: Fräulein Laura Petrus. Orgel: Herr Johann Deditsch. – [...]" (°).

Ausbildung bei Bruckner dient (nicht zum ersten Mal) als Argument, hier in einer Annonce auf S. 15:
"Gediegener Privat=Clavier|unterricht, Correpetition, Schule Bruckner. Adresse im Ank.=Bur. d. Bl., oder Briefe unter "Tüchtig 35" a. d. Ank.=Bur. d. Bl.    35645–4" (°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189406095, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189406095
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11