Besprechung der 4. Symphonie in der Neuen Musikzeitung 4, S. 47 (signiert »H. A.«):
»[...] Wie in allen Kompositionen Bruckners, so wechseln auch hier echt symphonische Gedanken von großer Schönheit mit leeren kindischen Stellen oder trockenen kontrapunktischen Grübeleien ab [...]« (*).
Von Meißner geschriebener Brief Bruckners an Weingartner:
Dankt Weingartner, Leßmann und dem Orchester [für die Aufführung der 4. Symphonie in Berlin]. Bruckners Zustand habe sich etwas gebessert. Dankt auch Herrn Hans Herrmann für sein Telegramm [9.3.1895] (**).
Brief Paul Müllers an Hugo Wolf:
Der letzte Satz der 4. Symphonie sei ihm nicht aufgegangen (***).
Daraufhin Brief Hugo Wolfs an Paul Müller:
Auch er habe erst nach dem Studium des Klavierauszugs gemerkt, daß dieser Satz ”zu den größten Wunderwerken zählt” (°).
[Vermutlich:] Kritik von Richard Sternfeld (°°).
Besprechung im Berliner Börsen-Courier:
"[...] Das achte Symphonieconcert der königlichen Kapelle reihte auch den bis jetzt im Opernhause noch nie zu Worte verstatteten Anton Bruckner in die Liste der jetzt erfreulicherweise recht zahlreich werdenden modernen Componisten ein, mit denen Herr Kapellmeister Weingartner das Publicum dieser Concerte bekannt macht. Hin und wieder sträuben sich noch einige genügsame Hörer gegen diese Erweiterung ihrer Kenntnisse; die große Mehrzahl folgt mit aufmerksamer und freudiger Theilnahme. Es wird also hoffentlich bei dem eingeschlagenen Wege dauernd sein Bewenden haben. Eine Symphonie in Es-dur von Bruckner mit dem Beiworte „romantisch“ war die Hauptnummer des gestrigen Abends. In Berlin waren von den neun oder jetzt gar zehn Symphonien des Wiener Meisters bisher nur zwei bekannt, die in E-dur und D-moll. Nun haben wir die dritte gehört, die zwar trotz ihren Namens keineswegs romantischer ist als die anderen, die aber, wie jene auch, mit einem Feuer, einem siegessicheren Enthusiasmus vom Componisten erfüllt ist, daß, wie ich meine, auch diejenigen davon unwiderstehlich fortgerissen werden müssen, die sich pedantisch dagegen sträuben. Es ist eigenthümlich mit Anton Bruckner. Wer von ihm nichts weiß und nur seine Werke kennt, wird aus jedem den feurigen Jüngling heraushören, der alle Hindernisse besiegt und die Braut heimführt. Wer ihn aber persönlich kennt, wird die Empfindung haben, daß dieser Mann am Ende überhaupt nie jung, sondern stets so alt war wie heute. Die Erklärung ist ja freilich sehr einfach: Erst in sehr vorgerücktem Alter hat dieser Künstler begonnen, sich durch Werke seines Geistes der Außenwelt zu erschließen; aber er hatte sich dazu ein junges Herz bewahrt, und jugendlich fühlend und schlagend ist es bis auf den heutigen Tag geblieben. Ein glückliches Los: sein Körper hochbetagt, sein Gemüth kindlich, sein künstlerisches Empfinden das eines Mannes und Helden, ein echter Siegfried! Nirgends zeigt Bruckner diese Eigenthümlichkeit seines Wesens mehr als im ersten Satz seiner Es-dur=Symphonie, der zugleich der beste des Werkes ist, und auch noch im dritten, dem Scherzo. In beiden lebt und jubelt alles, glänzende und glückstrahlende Themen werden hingestellt und siegreich durchgeführt. Zwischendurch kommen auch sanftere und ernstere Empfindungen zur Geltung; aber mit jugendlichem Enthusiasmus werden sie zugunsten der Siegesfanfaren, die der Componist in die Welt hinaus musiciert, immer wieder beiseite geschoben. Dem gegenüber ist der zweite Satz, Andante, ein Seelengemälde ziemlich schwermüthiger Art, mit einem einfachen Hauptthema, das in allen Weisen, besonders auch in allen möglichen Instrumenten=Combinationen vorkommt. Diesen drei Sätzen ist, obgleich sie alle recht lang sind, und das Blech, wie stets bei Bruckner, eine gar große Rolle spielt, der Beifall eines unbefangenen, verständlichen Publicums stets sicher. Der vierte Satz! Das Finale ist merkwürdigerweise immer die schwache Seite Bruckners; er wird in der „Romantischen“ seiner Gewohnheit leider nicht untreu. Eine Unzahl von Themen, zumtheil [sic] hervorragend schöne, werden aufgestellt, und keins kommt zu wirklicher Entwickelung [sic]. Dieser Satz steht beträchtlich hinter den andern zurück, weil er unorganisch aufgebaut ist. Aber der Orchesterklang ist durchweg wundervoll; und die königliche Kapelle spielte das Werk, das im ganzen sehr warm aufgenommen wurde, mit künstlerischer Vollendung im Ensemble und den fein ausgearbeiteten Schattierungen, wie in der Fülle und Schönheit des Tones.“ (°°°).
Die Deutsche Zeitung veröffentlicht das Telegramm Weingartners [siehe 9.3.1895] (#).
Zitierhinweis:
Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189503096, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189503096letzte Änderung: Okt 20, 2024, 16:16