zurück 16.3.1895, Samstag ID: 189503165

Die Linzer Zeitung berichtet auf S. 306, auf den Berliner Börsen-Courier sich berufend, von der Aufführung der 4. Symphonie [am 9.3.1895]:
„   Linzer und Kronlands=Nachrichten.
                          
       Linz, 15. März.
    * (Ein neuer Erfolg Dr. Anton Bruckners.) Am Samstag wurde in Berlin zum erstenmale Bruckners vierte Symphonie aufgeführt. Der „Berliner Börsen=Courier“ schreibt: Das achte Symphonieconcert der königlichen Kapelle reihte auch den bis jetzt im Opernhause noch nie zu Worte verstatteten Anton Bruckner in die Liste der jetzt erfreulicherweise recht zahlreich werdenden modernen Componisten ein, mit denen Herr Kapellmeister Weingartner das Publicum dieser Concerte bekannt macht. Hin und wieder sträuben sich noch einige genügsame Hörer gegen diese Erweiterung ihrer Kenntnisse; die große Mehrzahl folgt mit aufmerksamer und freudiger Theilnahme. Es wird also hoffentlich bei dem eingeschlagenen Wege dauernd sein Bewenden haben. Eine Symphonie in Es-dur von Bruckner mit dem Beiworte „romantisch“ war die Hauptnummer des gestrigen Abends. In Berlin waren von den neun oder jetzt gar zehn Symphonien des Wiener Meisters bisher nur zwei bekannt, die in E-dur und D-moll. Nun haben wir die dritte gehört, die zwar trotz ihren Namens keineswegs romantischer ist als die anderen, die aber, wie jene auch, mit einem Feuer, einem siegessicheren Enthusiasmus vom Componisten erfüllt ist, daß, wie ich meine, auch diejenigen davon unwiderstehlich fortgerissen werden müssen, die sich pedantisch dagegen sträuben. Es ist eigenthümlich mit Anton Bruckner. Wer von ihm nichts weiß und nur seine Werke kennt, wird aus jedem den feurigen Jüngling heraushören, der alle Hindernisse besiegt und die Braut heimführt. Wer ihn aber persönlich kennt, wird die Empfindung haben, daß dieser Mann am Ende überhaupt nie jung, sondern stets so alt war wie heute. Die Erklärung ist ja freilich sehr einfach: Erst in sehr vorgerücktem Alter hat dieser Künstler begonnen, sich durch Werke seines Geistes der Außenwelt zu erschließen; aber er hatte sich dazu ein junges Herz bewahrt, und jugendlich fühlend und schlagend ist es bis auf den heutigen Tag geblieben. Ein glückliches Los: sein Körper hochbetagt, sein Gemüth kindlich, sein künstlerisches Empfinden das eines Mannes und Helden, ein echter Siegfried! Nirgends zeigt Bruckner diese Eigenthümlichkeit seines Wesens mehr als im ersten Satz seiner Es-dur=Symphonie, der zugleich der beste des Werkes ist, und auch noch im dritten, dem Scherzo. In beiden lebt und jubelt alles, glänzende und glückstrahlende Themen werden hingestellt und siegreich durchgeführt. Zwischendurch kommen auch sanftere und ernstere Empfindungen zur Geltung; aber mit jugendlichem Enthusiasmus werden sie zugunsten der Siegesfanfaren, die der Componist in die Welt hinaus musiciert, immer wieder beiseite geschoben. Dem gegenüber ist der zweite Satz, Andante, ein Seelengemälde ziemlich schwermüthiger Art, mit einem einfachen Hauptthema, das in allen Weisen, besonders auch in allen möglichen Instrumenten=Combinationen vorkommt. Diesen drei Sätzen ist, obgleich sie alle recht lang sind, und das Blech, wie stets bei Bruckner, eine gar große Rolle spielt, der Beifall eines unbefangenen, verständlichen Publicums stets sicher. Der vierte Satz! Das Finale ist merkwürdigerweise immer die schwache Seite Bruckners; er wird in der „Romantischen“ seiner Gewohnheit leider nicht untreu. Eine Unzahl von Themen, zumtheil [sic]  hervorragend schöne, werden aufgestellt, und keins kommt zu wirklicher Entwickelung [sic]. Dieser Satz steht beträchtlich hinter den andern zurück, weil er unorganisch aufgebaut ist. Aber der Orchesterklang ist durchweg wundervoll; und die königliche Kapelle spielte das Werk, das im ganzen sehr warm aufgenommen wurde, mit künstlerischer Vollendung im Ensemble und den fein ausgearbeiteten Schattierungen, wie in der Fülle und Schönheit des Tones.“ (*).

Ankündigung des Konzerts vom 23.3.1895 (mit dem Chor »Träumen und Wachen«) in der »Presse« Nr. 74 auf S. 11:
"    – Concert=Anzeigen. [...]. – Das diesjährige Concert des Wiener Akademischen Gesangvereins findet Samstag den 23. d., halb 8 Uhr Abends, im großen Musikvereinssaale  unter Mitwirkung der Frau Olga v. Türk=Rohn und des Fräuleins Emma Schubert, Harfen=Virtuosin, statt. Das Programm enthält Chöre von Mozart, Schubert, Bruckner, Liszt, Engelsberg, Herbeck, Humperdinck, Meyer=Helmund, Rabl, Gallina und Dr. Wiesner. [... Kartenverkauf...]." (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189503165, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189503165
letzte Änderung: Dez 04, 2023, 11:11