zurück 21.6.1895, Sonntag ID: 189506215

Ein Artikel von Aemilian Posch in der Linzer Tagespost Nr. 141 auf S. 6 teilt mit, daß Franz Brunners Festschrift »Dr. Anton Bruckner. Ein Lebensbild.« erschienen ist:
"     Dr. Anton Bruckner, ein Lebensbild von Franz Brunner. [... über den 12.5.1895 ...] Post festum – der edlen Absicht geschieht damit kein Abbruch – richtete auch der "Oberösterreichische Volksbildungsverein" unserem großen Tondichter einen Kranz zurecht, dessen Blätter und Blüten in kunstgerechte Form zu binden der Uebungsschullehrer Herr Franz Brunner beauftragt war, ein beredter Anwalt der Sache Bruckners, in der von ihm verfassten "Festschrift".
     Dieselbe hält sich in der knappen Form eines Lebensberichtes, soweit die Einzelnvorgänge dem Verfasser zugänglich gemacht wurden; sie enthält sich einer kritischen Besprechung des noch nicht abgeschlossenen Künstlerschaffens Bruckners [... aber "edle Parteinahme" für den Menschen ... Dr. Teutschmanns Gedicht als Einleitung wende sich gegen die "Beckmesser", die den Künstlern auch menschlich schaden ... Bruckner in der "Welt der Regelreiterei" nicht heimisch ... Posch beobachtete Bruckner 1889 an Wagners Grab ... Bruckners Schicksal hat sich im Alter zum Besseren gewendet ...]
     Herrn Brunners "Festschrift" empfiehlt sich durch Klarheit und Wärme des Vortrags und stützt ihren nicht zu bezweifelnden Erfolg auf ein feinsinniges äethetisches Urtheil.
     Mit diesen Vorzügen kann sie ohne Bangen ihre Reise zu Musikern und musikliebenden Laien antreten.                      Ae. Posch." (*).
 
Besprechung des Konzerts vom 18.6.1895 [mit erwägenswerten Anmerkungen, nicht nur zur Programmzusammenstellung] in der Arbeiter-Zeitung Nr. 168 auf S. 5:
"     * Liedertafel des Wiener Männergesangvereines. Die gestrige Liedertafel dieses Vereines wurde ausnahmsweise nicht verregnet und versammelte im Dreher=Park ein sehr zahlreiches Publikum. Daß der Wahlspruch des einst als revolutionär verschrienen, jetzt aber aus Hofräthen, Polizei= und Landesgerichtsbeamten sowie aus Ehrenbürgern von Wien bestehenden Vereines "Frei und treu in Lied und That" heißt, war aus dem Programm des Abends nicht zu entnehmen. Es war kein Hauch der Zeit darin zu verspüren; es bestand zum großen Theil aus Chören, die vor dreißig Jahren in der Mode waren und damals reichlich ihre Schuldigkeit gethan haben, so daß man sie nun ruhig im Archiv schlummern lassen oder irgendeinem armen treudeutschen Bruderverein in der Provinz zum Präsent machen könnte. Auch die Neuheiten des Abends waren, wenn man sich einbildete, einer Liedertafel im Jahre 1847 beizuwohnen, durchaus geeignet, Einen in der Illusion zu bestärken. [... einige Beispiele ...] Die Aufführung sämmtlicher Nummern war so vorzüglich, als man es vom Wiener Männergesangverein gewohnt ist, nur wurde den von der Sängertribüne entfernter Sitzenden durch die im knirschenden Sand hin= und hereilenden, gläser= und tellerklirrenden und laut miteinander konversirenden Kellner der Genuß, namentlich bei zarten Gesangstellen, stark beeinträchtigt. Der Beifall war reichlich, nahm aber erst bei den Vorträgen des komischen Quartetts einen herzlicheren Charakter an. Die Orchesterbegleitung der Chöre wurde, obwohl erst letzten Sonntag von der "Neuen Freien Presse" der kriegsministerielle Erlaß mitgetheilt war, wonach Militärkapellen nur unter Leitung ihres eigenen Kapellmeisters spielen dürfen, von der mitwirkenden Militärkapelle ausgeführt und dabei vom Zivilisten Kremser dirigirt. Und es stand doch die gleichfalls mitwirkende, viel tüchtigere Kapelle Zit zur Verfügung, die Bruckner's "Germanenzug" gewiß besser begleitet hätte, als dies von Seite der "Dreier" geschah. Aber man wollte zeigen, daß man sich durch kriegsministerielle Verordnungen nicht einschüchtern lasse." (**).
 
Abschrift des ministeriellen Erlasses vom 17.6.1895 (von Neidl selbst nur die Unterschrift):
"                         Abschrift
eines  Erlasses des Ministers für Cultus und Unterricht vom 17. Juni 1895 Z. 9356 an den Statthalter für Niederoesterreich.
                               —
     Mit Bezug auf den hierämtlichen Erlaß vom 6. November 1894, Z. 10995, eröffne ich Eurer Excellenz, daß ich mich über den gegen Wiedervorlage mitfolgenden Decanatsbericht bestimmt finde, dem Tondichter Dor Anton Bruckner in Wien vom Jahre 1895 angefangen eine jahrliche Ehrengabe von Sechshundert, /: 600 :/ Gulden unter der Voraussetzung der verfassungsmäßigen Genehmigung des bezüglichen Credite zu bewilligen.
     Die Flüssigmachung dieser Ehrengabe wird jeweilig nach Erscheinen des betreffenden Finanzgesetzes veranlasst werden.
     Ich ersuche Eure Excellenz hievon den genannten Tondichter gefälligst in Kenntnis zu setzen.
        Für die Richtigkeit der Abschrift
                Wien, am 21 Juni 1895.
                           JNeidl
                         Director." (***).
 
Von dieser Abschrift wurde eine weitere Abschrift (ohne Originalunterschrift Neidls) angefertigt:
"                                         [rechts oben:] Abschrift
              Abschrift
eines  Erlasses des Ministers für Cultus und Unterricht v. 17. Juni 1895, Z: 9356 an den Statthalter für Niederösterreich.
                               —
     Mit Bezug auf den hierämtlichen Erlaß vom 6. November 1894, Z: 10995, eröffne ich Eurer Excellenz, daß ich mich über den gegen Wiedervorlage mitfolgenden Decanatsbericht bestimmt finde, dem Tondichter Dr Anton Bruckner in Wien vom Jahre 1895 angefangen eine jährliche Ehrengabe von Sechshundert /: 600 :/ Gulden unter der Voraussetzung der verfassungsmäßigen Genehmigung des bezüglichen Credite zu bewilligen.
     Die Flüßigmachung dieser Ehrengabe wird jeweilig nach Erscheinen des betreffenden Finanzgesetzes veranlaßt werden.
     Ich ersuche Eure Excellenz hievon den genannten Tondichter gefälligst in Kenntnis zu setzen
        Für die Richtigkeit der Abschrift
                Wien, am 21. Juni 1895
                           J. Neidl m. p.
                             Director" (°).
 
(Brief von Bernhard Ziehn an Hugo Kaun, in Chicago geschrieben:
     Er solle sich nicht zu sehr vom (inkompetenten) Hamburger Kritiker Emil Krause [über die Oper "Der Pietist"?] die Laune verderben lassen. Über Opernpläne und mögliche Libretti. Der nächste Kontakt lieber mündlich, aber auch brieflich möglich (°°)).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189506215, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189506215
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11