zurück 29.2.1896, Samstag ID: 189602295

Bericht (signiert »Dr. H. F.«) vom Vereinsabend am 24.2.1896 (u.a. mit Aufführung der 7. Symphonie) im Deutschen Blatt Brünn Nr. 18 auf S. 5:
"            Richard Wagner's Todestag.
         (Brünner Richard Wagner=Verein).
     Der am 24. Februar stattgehabte Vereins=Abend gestaltete sich zu einer großartigen Erinnerungsfeier anlässlich des in denselben Monat fallenden Todestages Richard Wagner's.
     Nach einigen einleitenden Worten [... Vorstand Otto Rupp ... Benno Branczik mit Epilog ("Auf Richard Wagner's Tod") von Wildenbruch ...] nachhaltigste Wirkung.
     Hieran schloss sich die Glanznummer des Abends, Bruckner's herrliche Symphonie Nr. 7 (E-dur), vorgetragen von Herrn Heinrich Janoch und einer seiner genialsten Schülerinnen, Frl. Antonie Nikodem.
     Es bildet gewiss ein hervorragendes Verdienst des Brünner Richard Wagner=Vereines, sich die Pflege der Bruckner'schen Muse so eifrig angedeihen zu lassen, und dürfte es hauptsächlich diesem ernsten Bestreben zu verdanken sein, dass sich auch schon in weiteren Kunstkreisen Brünns die Erkenntnis von Bruckner's gewaltiger Eigenart und seiner Bedeutung für die Kunst Eingang perschafft [sic] hat.
     Die Symphonie Nr. 7, neben jener Nr. 8, wohl die bedeutendste Schöpfung Bruckner's, ist groß angelegt und entzückt ebenso sehr durch ihre reichen, oft eigenartigen Motive, als durch ihre wundervolle Polyphonie, die ja Bruckner's größte Stärke bildet. Auch lässt sich ein gewisser dramatischer Zug, der vielfach an Wagner gemahnt, nichtverkennen [sic], und er verleiht dem Tonwerke einen durchaus modernen Charakter.
     Schon die Einleitung mit ihrem anhaltenden Tremolo, wobei sich in der Mittelstimme ein einzig dastehendes, wundervolles Thema erhebt, versetzt uns in eine weltentrückte, weihevolle Strimmung, die uns nicht mehr verlassen soll, ja bei einzelnen Sätzen wo möglich noch eine Steigerung erfährt. Von unmittelbarster und nachhaltigster Wirkung erscheint der zweite Satz, ein tiefsinniges Adagio. Es gehört ohne Zweifel zu dem Schönsten, was die Tonkunst je geschaffen. Ungemein dramatisch wirkt der dritte Satz (Scherzo), während der letzte Satz, mehr rhythmisch gehalten, zwar die einheitliche Durchführung etwas vermissen lässt, dafür aber umsomehr den großen Contrapunctisten Bruckner verräth. Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass die, wenn auch gewiss meisterhafte Wiedergabe dieser Sympohnie am Claviere doch häufig die überraschenden Klangwirkungen des Orchesters vermissen ließ, was insbesondere beim letzten Satze ausschlaggebend erschien.
   Die Wiedergabe des Tonwerkes durch Fräulein Nikodem und Herrn Janoch war eine künstlerisch vollendete, hinreißende, und so steigerte sich denn auch mit jedem Satze die Begeisterung der überaus zahlreich erschienenen Zuhörer, bis sie am Schlusse in nicht enden wollendem Beifalle ihren beredten Ausdruck fand.
     Nunmehr setzte Herr Richard Wickenhausser seinen Vortragscyclus über den "Ring des Nibelungen" mit der Besprechung der "Walküre" fort. [... August Klang (Bariton) mit einer Ballade (Felix Dahn, Hans Sommer) ... Nikodem und Janoch mit Smetanas "Moldau" ...].
     Im ganzen bedeutete der besprochene Vereinsabend einen großen und nachhaltigen künstlerischen Erfolg, auf den der Verein mit Stolz blicken kann.
                           Dr. H. F."


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189602295, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189602295
letzte Änderung: Sep 22, 2024, 12:12