zurück 28.5.1896, Donnerstag ID: 189605285

Das Musikalische Wochenblatt Nr. 23 berichtet im »Wiener Musikbrief« auf S. 294f von der Aufführung des »Te Deum« [am 23.3.1896]:
                           Wien.
           
    (Fortsetzung.)
     Bevor ich die in No. 8 des "M. W." begonnene Musterung unserer heurigen Virtuosenconcerte wieder aufnehme und  zu Ende führe, sei früher noch einiger hervorragenden [sic] Chorconcerte gedacht, die bisher nicht erwähnt wurden. Zum Besten verschiedener hiesigen Wohlthätigkeitsanstalten gab die "Glasbena matica" aus Laibach, der bedeutendste slovenische Gesangverein, zwei grosse Concerte mit Orchester. Es sollte damit der Dank der von dem furchtbaren Erdbeben heimgesuchten Hauptstadt Krains für die grossmüthigen Spenden abgetragen werden, welche gerade aus Wien so zahlreich den Verunglückten zukamen. [... zum Programm ...]. Zuletzt kam in das slovenische Nationalconcert wie hineingeschneit – man höre und staune! – das grosse "Te Deum" unseres Wiener Altmeisters Anton Bruckner! Man denke sich diese hehren, hochkirchlichen Klänge nach dem lateinischen Ritualtext gesungen in – nationaler Bauerntracht (denn diese hatten sämmtliche weiblichen Mitglieder der "Glasbena matica" angelegt, während die Herren im Frack erschienen): passte das nicht wie die Faust aufs Auge? Die Laibacher Slovenen und ihr strebsamer Dirigent wollten offenbar zeigen, dass sie auch den grossartigsten Kunstaufgaben gewachsen seien, und das vollzählig begleitende Wiener Philharmonische Orchester täuschte auch der Wiedergabe den Schein des Grossartigen, glänzend Gelungenen auf. Aber um Tonsätze, wie die gewaltige, enorm schwierige Schlussfuge des Bruckner'schen "Te Deum", ganz im Sinne des Componisten herauszubringen, dazu gehörten doch andere Chorkräfte, als sie der "Glasbena matica" zur Verfügung stehen. Dass der Aufführung (in deren solistischem Theile die liebenswürdige Wiener Sopranistin Frl. Sophie Chotek ihre Collegen vom Czechischen Landestheater in Prag künstlerisch entschieder [sic] überragte) zahlreiche Proben vorausgegangen sein mussten, war nicht zu verkennen, und sprach überdies aus der Directionsweise des Hrn.Hubad nicht nur strenge Gewissenhaftigkeit, sondern auch ein voller Glaube an die Sache, die aufrichtigste Verehrung des Genius Bruckner's. Das muss gebührend anerkannt werden, wie auch die Lust und Liebe, mit der die zum Theil noch sehr jugendlichen slovenischen Sänger und Sängerinnen ins Zeug gingen. Das Programm des zweiten slovenischen Concertes [... Dvorak als Dirigent seiner "Geisterbraut" ...]. Vielleicht wäre – nach seinem "Feuerreiter" zu urtheilen – Hugo Wolf der richtige Mann, die "Geisterbraut" wahrhaft packend zu componiren. Ich will ihm aber beileibe dazu nicht gerathen haben.
                 (Fortsetzung folgt.)" [Signatur am 3.9.1896: "Dr. Theodor Helm."]


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189605285, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189605285
letzte Änderung: Sep 29, 2023, 19:19