zurück 19.6.1925, Freitag ID: 192506195

Die Westliche Post Nr. 170 (St. Louis, Missouri) kündigt auf S. 8 die morgige Aufführung der d-Moll-Messe an, greift aber bei der Werkserläuterung nahezu unverändert auf den Text vom 18.10.1924 zurück:
"Bruckners Messe in D=Moll wird Sonntag aufgeführt
[... Anlass des Konzerts ...Bruckners Bedeutung ...]. Es gibt kaum Kunst, die reinerer, unmittelbarerer Ausdruck inneren Erlebens ist als Bruckners Musik. [...].
     Die D-moll-Messe ist ein Frühwerk, ja sogar das erste größeren Umfangs, mit dem Bruckner an die Oeffentlichkeit trat, aber deshalb beileibe kein Jugendwerk. Denn Bruckner war bereits ein gereifter Mann von 40 Jahren, als seine eigentliche Schaffensperiode begann, und so ist diese erste Frucht seiner schöpferischen Kraft nicht als der tastende Versuch eines Jugendlichen zu werten, sondern als das Ergebnis eines jahrzehntelangen Ringens um die Meisterschaft.
     Das Geburtsjahr der Messe ist 1864. Hier schuf er, was die glühende Seele ihn schaffen hieß, mit dem starken Empfinden seines tiefgläubigen Herzens. Jede Note kündet tiefinnerstes Erleben. Eine geniale Künstlerseele quillt hier in Tönen über, die den Zuhörer mit der gleichen Wucht ergreifen, mit der sie seiner Brust entströmte
     Schon die Widmung am Kopfe des Werkes atmet den Geist, der den Schöpfer desselben beherrscht: "Omnia ad majorem Dei gloriam" (Alles zur größeren Ehre Gottes). [... über den Gehalt der Musik ...].
     Nach einem Vorspiel im dumpfen D-Moll beginnt der Chor das Kyrie als ein zaghafter [sic] Flehen in aufsteigender Quinte. [... über den Aufbau der Messe, ausführliche Beschreibung der einzelnen Teile...].
     So bildet die D-moll-Messe ein einheitliches Gefüge von ergreifender Wirkung[,] innerstes Erleben einer zum Höchsten strebenden Künstlerseele. Beethoven war die mächtige Stimme der Freiheit in einer Zeit der Unfreiheit, Bruckner war de [sic] einsame Stimme des Glaubens in einer Zeit, wo Gott verschollen war. [...].
                                              Jakob Kremer."


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 192506195, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-192506195
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11