zurück 7.10.1869, Donnerstag ID: 186910075

Fortsetzung des Artikels im Linzer Volksblatt Nr. 230 auf S. 2:
»Die Aufführung der Bruckner'schen Fest-
                         Messe
bei der feierlichen Einweihung der Votivkapelle
      des Mariä-Empfängniß-Domes in Linz.

                    (Fortsetzung.)
     Der 1. Theil des Credo ist zum größten Theile unisono sowohl in den Sing- als in den Blasstimmen, welche die ersteren nachahmen, behandelt. Ich, für meinen Theil, liebe lange unisono-Sätze in der Kirchenmusik nicht, darum vielleicht dieser und der letzte Satz des Credo nicht so auf mich wirkten wie das übrige. Dafür aber wirkte das Et incarnatus est und das Crucifixus um so mächtiger; besonders schön ist im ersteren der rasche aber natürliche Uebergang bei virgine, und bei letzterem die schönen, einfachen Dreiklangfolgen bei den Worten crucifixus und et sepultus est. Im Doppelchor beginnt mit einfachen aber kräftigen Dreiklängen das Et resurrexit, die Auferstehung des Herrn, seine Himmelfahrt und die Besitznahme seines ewigen Reiches betrachtend. Bei den Worten Et in Spiritum sanctum beginnt das unisono-Thema wieder wie im Anfange; unterbrochen bei simul adoratur von herrlichen Dreiklängen pp. und ff. bei et conglorificatur. Beim Confiteor erscheint wieder die unisono-Figur, wohl anders durchgeführt und im Verlaufe dann noch zweimal. Mit einem breiten, kräftigen Amen schließt dieser Satz.

    Im Sanctus beginnen die Singstimmen, welche nach und nach piano eintreten und, und [sic!] je zwei das Thema in enger Nachahmung verfolgen, das Heilig, wie schon gesagt leise, im Verlaufe aber immer stärker zu singen. Durch das Eintreten neuer Stimmen und durch die Uebernahme des Thema von anderen Stimmen wird hier eine Wirkung hervorgebracht, als sängen nicht 8, sondern 100 Stimmen das dreimal Heilig, und man wird unwillkührlich an die Chöre der Engel erinnert. Das ist ein 8stimmiger Satz, vor dem man Respeckt haben muß; da kann man von Kontrapunkt reden! Bei Dominus Deus Sabaoth treten die Blechblasinstrumente, Posaunen, Horn und Trompeten dazu, und heben diese Worte, welche auf dem einzigen S-dur [sic!] Akkord gesungen werden, kräftig hervor. Leider wurde die Wirkung zerstört, da die Sänger gesunken waren und so statt einer kräftigen Harmonie eine gräuliche Disharmonie hervorgebracht wurde. Wer weiß, daß das vorhergehende sehr anstrengend zu singen ist, wird gewiß sehr gerne die Lossprechung hier ertheilen. Bei dem Worte Sabaoth erhoben sich die Sänger wieder und weiter ging es zum Pleni, bei welchem die Posaunen mit Unterstützung der Fagotte und Hörner das Thema des Sanctus in enger Nachahmung markirt vortragen, während die Chöre in kräftigen Akkorden die Harmonie tragen.
                             (Schluß folgt.)


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 186910075, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-186910075
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11