zurück 11.3.1881, Freitag ID: 188103115

Brief Bruckners an Pfarrer Klinger in Taufkirchen [recte: Linz?]:
     Dankt für die große Güte; nicht er, sondern vermutlich der Hausmeister habe etwas zurückgesendet. Macht auf die Besprechungen der 4. Symphonie vom 3.3.1881 und - in der Vorstadt-Zeitung - 8.3.1881 [? vgl. 21.2.1881] aufmerksam. Dankesgruß an Waldeck (*).

Besprechung des Konzerts mit der 4. Symphonie [am 20.2.1881] in der Kölnischen Zeitung Nr. 70 auf S. 2:
"                Kunst und Literatur.
     In einem dieser Tage unter Leitung von Hans v. Bülow gegebenen großen Orchesterconcert der Philharmoniker in Wien kamen unter anderm zwei interessante neue Werke zur Aufführung. [... Bülows Ballade ...] und eine neue Symphonie in Es-dur vom Hoforganisten und Professor Anton Bruckner. [... Bülows Werk ...]. Die neue Symphonie Bruckners in Es-dur aber hat hat einen Erfolg gehabt, wie sich eines ähnlichen in Wien kaum jemand erinnert. [... 3. Symphonie 1877, Bericht in der Kölnischen Zeitung ...] Bruckner hat mehr musicalisch=schöpferisches Genie, als ein halbes Dutzend neuerer Componisten, deren Erzeugnissen man auf allen Programmzetteln begegnet. Zwei und ein halbes Jahr lang hat es gedauert, bis Bruckner sich durch die Intriguen einer engherzigen und nicht immer unzweifelhaft parteilosen Clique so weit durcharbeitete, bis er ein neues Werk zur Aufführung bringen konnte. Diesmal war dasselbe musterhaft studirt und die Darstellung des freilich nicht leichten Werkes gereicht den Philharmonikern und Hans Richter zu neuen Ehren. Der Erfolg hat gezeigt, wie sehr wir vor zwei und ein halb Jahren mit der Anerkennung Bruckners Recht hatten. Selbst die kritische Clique in Wien muß ihm diesmal, wenn auch unter Drehen und Winden, die verdiente Anerkennung zollen. Die Referenten der "Presse" und des "Fremdenblattes", die übrigens auch früher am meisten Unbefangenheit bewiesen hatten, halten mit ihrer Bewunderung dieses selten reichen Talentes nicht mehr zurück. "Die Composition" – so lesen wir im Fremdenblatt – "des vielbegabten Mannes (Bruckner) fand den größten Beifall und wie oft wurde der Componist stürmisch gerufen! Man kann mit wenig Worten viel Gutes sagen über dieses Tonwerk. Es spricht sich darin ein entschieden musicalischer Beruf aus, ein Geist, der sich musicalisch nicht nur aussprechen will, sondern muß. Die Erfindung quillt reich und voll, mehr als ein bedeutender Gedanke zwingt uns zum Hören. Der erste Satz und das Finale übertreffen die beiden anderen Sätze an gewichtigen Motiven und Fluß der Entwicklung; das zweite Thema im Finale ist so schön und wohlig behandelt, daß es sich in der Nachbarschaft der süßesten Gesänge von Schubert ehrenvoll behaupten kann. Was den Gehalt betrifft, so ist Bruckners neueste Symphonie gewiß eine bedeutende Schöpfung."  Schreiber dieser Zeilen kennt die neue Symphonie nur nach einem Claviervortrag, den er vor zwei Jahren von Bruckner selbst gehört, und kann auch danach nur bestätigen, daß das hier dem Werke gespendete Lob  hinter dem Verdienste noch zurückbleibt. Auch darin aber gibt er dem Kritiker des Fremdenblattes Recht, daß die Harmonie hin und wieder titanenhaft und gewaltsam vorbricht, wenigstens für die an unsere neueste sanftclassiche Concertmusik gewohnten Ohren, die durch etwas Unerwartetes nicht aufgestört sein mögen. Aber den Klagen wegen einiger Längen – die wir gleichfalls für berechtigt halten – wird leicht Rechnung getragen werden können. Bruckner ist kein junger Mann mehr und hat manches schöne Werk geschaffen. Sollte unser so fortgeschrittenes und in allen Ländern nach dem guten Neuen suchendes musicalisches Köln uns nicht mit einem Brucknerschen Werke demnächst bekannt machen wollen?" [keine Signatur] (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188103115, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188103115
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11