zurück 25.6.1885, Donnerstag ID: 188506255

Bericht Paul Marsops über die Aufführungen von 7. Symphonie und Quintett in München [10.3.1885 bzw. 31.3.1885] im Musikalischen Wochenblatt Nr. 27 auf S. 330f:
      »Tagesgeschichte.
                Musikbrief.
           Aus dem Münchener Musikleben.
                     München, im Mai.
   Der zweite Cyklus der von der Musikalischen Akademie während der Fastenzeit veranstalteten Concerte bescheerte uns eine stattliche Reihe von Novitäten [...] Recensentenherz, was willst du mehr? Zu unserer aufrichtigen, ungeheuchelten Freude sind wir in der Lage, zu berichten, dass unter der ansehnlichen Zahl dieser Schöpfungen sich eine befand, welche - wir stehen nicht an, es auszusprechen - nicht einem Coterie- oder Verleger-Interesse, sondern ihrem ausserordentlichen künstlerischen Werthe den ihr zu Theil gewordenen grossen Erfolg verdankte.
    Wir sprechen von Anton Bruckner's Edur-Symphonie. [... sehr ausführliche, lobende Besprechung ...] Den Wienern aber möge der Ruhm vorbehalten bleiben, ihrem ausgezeichneten Mitbürger dann zu huldigen, wenn auch Krähwinkel und Pfaffenbeerfurt sich endlich bewogen fühlen werden, ihre Stimmen für Anton Bruckner abzugeben.*) [Fußnote:]
     *) Sobald unsere Zeit es erlaubt, werden wir uns nach einer französischen oder ungarischen Comtesse umsehen, welche Bruckner zu protegiren geneigt sein möchte.
[Fortsetzung des Haupttextes:]
     Als die Krone der 7. Symphonie müssen auch wir das unvergleichliche, wahrhaft grossartige Adagio betrachten. [... (ein Abschnitt über das Adagio und weitere Abschnitte werden im Artikel vom 14.7.1885 zitiert) ...] Ehre, wem Ehre gebührt, - aber dieses Adagio ist ein Unicum unter den Schöpfungen der Nach-Beethoven'schen Decennien! [... schließt sich Theodor Helms Urteil (in diesem Blatt) über das Quintett an ...] (Fortsetzung folgt.)«
[Signatur im letzten dieser Münchner Musikbriefe, am 23.7.1885:] Dr. Paul Marsop." (*).

Notiz Bruckners: »Musikalisches Wochenblatt Leipzig 25. Juni 1885. N 27. Fritsch [Fritzsch]. EW.« (**).

Die Morgenpost Nr. 173 bringt auf S. 2 den 2. Teil eines Artikels über Johann Herbeck, signiert "O. Bn." [Oskar Berggruen], in dem Herbecks Verdienste um Bruckner zur Sprache kommen [der 1. Teil war am 15.6.1885 erschienen]:
          "Johann Herbeck.
                    II.
     Nicht viel über zwanzig Jahre war Herbeck alt [... biographische Stationen ...]
     Gleichzeitig erwarb er sich ein großes Verdienst um die Musikstadt Wien, indem er Anton Bruckner, dem damaligen Domorganisten in Linz, zu einer Berufung nach Wien verhalf. Bruckner hat zwar, trotz seines jahrelangen Aufenthaltes in der Großstadt die Technik der Reclame sich noch immer nicht zu eigen gemacht; allein auf dem Umwege des Auslandes wird man schließlich doch auch in Wien erfahren, welchen musikalischen Genius war [sic] jahrelang unbeachtet ließ, während ungleich weniger bedeutende Tonkünstler von den Tonangebern in der Gesellschaft und in der Presse über Gebühr verhätschelt wurden. Was Herbeck nach einer Aufführung von Bruckner's C-moll-Symphonie sagte: "Wenn ein Anderer eine solche Symphonie schriebe, man würde durch Applaus den Saal demoliren", gilt in Wien noch heute. Uns selbst hat Ebenezer Prout, der bekannte Componist und Organist in London einmal gesagt, daß Bruckner auch nur als Organist im höchsten Ansehen stünde, wenn er [in] London lebte, während es in Wien nur einem kleinen Kreise der eingeweihtesten Musikkenner bewußt ist, daß wir in Bruckner den ersten lebenden Improvisator auf der Orgel und einen von Niemandem zu übertreffenden Meister dieses Instrumentes besitzen. Noch eine große künstlerische That vollführte Herbeck im Concertsaal, ehe er ganz unerwartet an die Spitze der in's neue prächtige Haus übersiedelten Oper gestellt ward: eine glänzende Aufführung von Liszt's "Heiliger Elisabeth". Bald darauf sollte er ein Feld künstlerischer Thätigkeit betreten, wo der Kunst nicht immer das entscheidende Wort zugestanden wird: das Theater.        O. Bn." (***).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188506255, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188506255
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11