zurück 19.4.1887, Dienstag ID: 188704195

In der »Presse« Nr. 107 kündigt Kalbeck auf S. 1 in ironischem Ton die Aufführung der 5. Symphonie an:
                »Letzte Concerte.
      Die musikalische Saison geht ihrer Auflösung entgegen. [... sie schwächelte schon lange ...] Nach einem letzten Aufflackern der erlöschenden Lebensgeister in dem Concert der Gebrüder Grünfeld wird die Kranke - nach menschlichem Ermessen wenigstens - unter den Klängen der fünften Bruckner'schen Symphonie, welche die Herren Schalk und Zottmann auf zwei Clavieren vorzutragen sich entschlossen haben, ihren Geist aufgeben. Requiescat in pace! [... negatives Urteil über die Aufführung der Matthäuspassion, über andere Konzerte ...]« (*).

Kalbeck geht in diesem Feuilleton (S. 1-3) auf S. 3 auch auf den Chor »Um Mitternacht« [WAB 90, 6.4.1887] ein:
      »Schließlich haben wir noch über das zweite Concert des Wiener Männergesang=Vereins zu berichten, von welchem nicht viel zu sagen ist. [... über Heuberger, Schütt und Engelsberg ...] Aber selbst die Engelsberg'sche Liedertafelei bietet in ihrer aufrichtigen Gedankenlosigkeit immer noch einen größeren Genuß, als Bruckner's Schauerchor "Um Mitternacht", der seinen Bankerott an Ideen hinter mühselig ausgeklügelten Modulationen versteckt. Beinahe jeder Tact bedürfte einer anderen Vorzeichnung, und der Versetzungszeichen sind jedenfalls so viele, daß man vor ihnen die Noten nicht mehr sieht. Einen Haupteffect hat Bruckner sich von dem Tenorsolo mit Brummstimmen versprochen, das in seinem Chor die vornehmste Stelle einnimmt. Die beste Kritik dieses im Quintencirkel wie die Katze um ihren Schwanz herumtanzenden Brummchors lieferte das hinterdrein gesungene Käferlied von Veit. Da heißt es: "Es sprach die kleine Blume: Es treiben Schmetterlinge viel artigere Dinge, erspare dein Gebrumm!"
                Max Kalbeck.« (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188704195, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188704195
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11