zurück 1.9.1887, Donnerstag ID: 188709015

Die Steyrer Zeitung Nr. 70 berichtet auf S. 1 (signiert "A. R.") vom Augustinusfest in St. Florian am 28.8.1887. Bruckner habe während des Hochamts Orgel gespielt und nachmittags über das Thema der 9. Symphonie improvisiert:
       "Vom Augustinusfeste in St. Florian.
   Wer schon Gelegenheit gehabt hat, das herrliche, gastfreundliche Stift des heil. Florian näher kennen zu lernen, [...]
    Am 28. August, als dem Tage des Ordensstifters St. Augustinus, heuer ein vom schönsten Wetter begünstigter Sonntag, zogen Schaaren von Besuchern zum kunstliebenden Kloster, um, wie die Tagesblätter verkündigt hatten, Herrn Professor Anton Bruckner auf der weitberühmten "Florianerin" zu hören. - Von Nah' und Fern waren auch Sänger - darunter die besten Kräfte unserer Landeshauptstadt - herbeigeeilt, um unter der artistischen Leitung des hochw. Herrn regens chori Bernhard Deubler die "Missa Papae Marcelli" von Joanne petraloysio Praenestino aufzuführen; und wir können sagen: dieses sechsstimmig geschriebene Meisterwerk hat wohl noch nie eine ihm so sehr entsprechende Aufführung erlebt.
[...] - Als Graduale wurde Bruckner's "Os justi" aufgeführt, und zwar mit derselben Verve und Hingebung, wie die Messe, so daß der große Meister selbst darüber befriedigt dem Herrn Dirigenten seinen Dank aussprach.
    Gegen 4 Uhr Nachmittags füllte sich die große Stiftskirche mit Neugierigen, denn es war das Gerücht aufgetaucht, daß Herr Professor Bruckner, der schon in den Gesangspausen beim heil. Hochamte die Orgel gespielt hatte, auch jetzt wieder concertiren werde, - was auch geschah.

    Die Feder kann es nicht beschreiben, was das entzückte Ohr gehört, als Meister Bruckner über das Thema seiner IX. Symphonie, die sich eben im status nascens befindet, concertirte. Wie der Felsenquell aus dem Gesteine bricht, mit geheimnißvollem Flüstern sein Dasein bekundend, und mit den Blümlein kosend zum rauschenden Bächlein wird, und dann zum stolz einherbrausenden Strome erwächst: - ebenso entquollen der Orgel zuerst lieblich und träumerisch die Weisen, welche bis zum stolz einherbrausenden Strome anwachsend all' unser Denken, Fühlen und Wollen mit sich rissen in das unendliche Meer der Phantasie. Nicht Töne glaubte man mehr zu hören, nicht ein todtes Instrument, nein, vor das geistige Auge trat der Mensch im Kampfe um's Dasein mit Stürmen ringend, in all seinem Fühlen: Freud und Leid, Liebe und Haß, Hoffnung und Verzweiflung und endlich, über alles siegend, das Rauschen und Brausen des Unendlichen, Ewigen, Allmächtigen --------. Wie aus einem tiefen Traume erwacht fühlte sich der Zuhörer, nachdem ihn das Genie des greisen Meisters der Wirklichkeit entrissen und in das Reich der Fantasie geführt!
      Herzlich begrüßten und beglückwünschten zahlreiche Zuhörer den Meister deutscher Tonkunst, der uns wieder gezeigt hat, daß seine Kunst das Siegel der Göttlichkeit an der Stirne trägt. - Möge uns der Kunstsinn des herrlichen Stiftes doch bald wieder Gelegenheit verschaffen, solch' classische Musik zu hören, und auch fernerhin wie bisher Polyhymnia unter dem gastlichen Dache beherbergen! -
                           A. R." (*).

Das Linzer Volksblatt Nr. 199 kündigt auf S. 2 die Aufführung des »Te deum« am 29.9.1887 an:
   » - Die Jubel=Feier im neuen Dom am 29. September. Zur Erhöhung dieser großen Feierlichkeit sind zur Aufführung in Aussicht genommen worden: [...Haberts Messe ...] Zum Schlusse der obgenannten Feier wird Anton Bruckner's großes instrumentirtes "Te Deum" zur Aufführung gelangen, und zwar wird dies bedeutende Tongemälde von den wohlgeschulten Kräften der verehrlichen Liedertafel "Frohsinn" in Linz mit Zuziehung von freundlichst Mitwirkenden entrollt werden. Der sehr geehrte Herr Vorstand Milbeck hat dem Chordirigenten des Mariä Empfängnis=Domes, welcher im Namen des hochwürdigsten bischöflichen Dombauherrn eine diesbezügliche Anfrage, respective ein Ersuchen stellte,in äußerst zuvorkommender und liebenswürdiger Weise erwidert und die Aufführung des oben erwähnten großartigen Werkes freundlichst zugesagt. [...] Das nähere kirchenmusikalische Programm bei der Jubelfeier des Mariä Empfängnis=Domes wird seinerzeit bekannt gemacht werden.« (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188709015, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188709015
letzte Änderung: Feb 04, 2023, 23:23