zurück 1.3.1889, Freitag ID: 188903015

Brief Bruckners an die Wiener Philharmoniker:
    Dankt Hans Richter und dem Orchester für die »ausgezeichnete Aufführung« der 7. Symphonie (*).

Brief Bruckners an den Wiener Akademischen Wagner-Verein:
    Dankt dem Verein, seinem Praeses [Viktor Boller] und dem artistischen Direktor [Josef Schalk (oder Ferdinand Foll?)] für die Aufführung der 7. Symphonie am 24.2.1889 (**).

Bruckner und Eckstein machen eine Schlittenpartie nach Mayerling [vgl. 30.1.1889] (***).

Bericht über das Konzert vom 24.2.1889 in der Musikalischen Rundschau Nr. 15 auf S. 110:
                "Berichte
           Von Wien.
      - Die am verflossenen Sonntag vom Wiener akademischen Wagner-Verein veranstaltete Musikaufführung unter Hans Richter's Leitung nahm einen glänzenden Verlauf, [...]
Auf dem Plane erschienen Liszt und Wagner, die beiden Großmeister der neuen deutschen Musik, und zwischen diesen Anton Bruckner's gewaltige (in diesen Blättern wiederholt besprochene) VII. Symphonie in E-dur. Obgleich dasjenige Werk, welches schon wegen seiner Ausdehnung die größte Ausdauer und - soll von einem wahren Genusse die Rede sein - die gespannteste Aufmerksamkeit vom Zuhörer verlangt, ward der Symphonie dennoch eine anhaltend begeisterte Aufnahme zu Theil, welche sich nach jedem Satze in Beifallsovationen und Hervorrufen Meister Bruckner's kundgab. Der vernachlässigte und von Vielen verkannte Künstler hatte wieder einmal die Genugthuung eines echten und ungetheilten Erfolges. [...]" (°).

Die Aufführung der 7. Symphonie wird auch in der Österreichischen Musik- und Theaterzeitung Nr. 11 auf S. 3 besprochen:
    "Grosser Musikvereins-Saal.
    [...]
    So oft ich auf irgend welchem Concertprogramm den Namen Anton Bruckner's lese, möchte ich meiner Freude darüber doch auch gleich mein innigstes Bedauern hinterdreinschicken, dass dieses Meisters herrliche Schöpfungen, nie mit ihrer ganzen Macht, d. h. ohne den Einfluss vorhergespielter Compositionen auf uns wirken können. [... das Werk könne neben Liszt und Wagner sich eigenständig behaupten - wie Jung-Siegfried ...] Auch der überschwenglichen von Begeisterung triefenden, einleitenden und erläuternden Worte Josef Schalk's kann er wahrlich entbehren. Wer Anton Bruckner selbst, seine geradezu rührende Naivetät, sein daraus resultirendes, ursprüngliches, ich möchte sagen unbewusstes Schaffen kennt, wird über den unnützen Geistesballast, mit dem Josef Schalk dieses Meisters Werke belastet, mitleidig lächelnd die Achseln zucken. Da liegt dieser lange, kleingedruckte Sectionsbefund der VII. Symphonie Bruckner's vor mir. Was soll sich nach dem Bruckner bei der Composition dieses Werkes alles gedacht haben und was zu denken wird dem unbefangenen Zuhörer befohlen. - Unsinn über Unsinn! - Dieses Werk wirkt durch sich allein. - Bruckner ist kein moderner, nervenkranker Kunstjünger, kein durch Selbstliebe geschwächter Knabe, sondern ein kräftiger, biederer Bauernjunge mit hellem Kopf und klarem Sinne, wie sie uns Rosegger so drastisch schildert: ein Bauernjunge, der Symphonien schreibt, weil er sie schreiben muss, wie die Vögel im Walde ihre Lieder zu Gottes Ehr' und Preis erschallen lassen. Und wer Bruckner's wirklich reines von Gott gegebenes Schaffen, auf durch Grübeln und Nachsinnen erzielte Mache zurückführen will, hat dem Componisten einen recht schlechten Dienst gethan. - [... über Liszts "Christus" ... über den "Tannhäuser"] ist von den bewährtesten Kunstkennern schon so eingehend und so viel berichtet worden, dass ich es als vollkommen überflüssig halte, anderes darüber zu schreiben.
        Ottokar Wöber." (°°).

Richard von Perger nützt seinen Bericht in der Allgemeinen Kunst-Chronik Nr. 5 auf S. 121 - 124 über das Konzert vom 24.2.1889 zu einer Abrechnung mit den Wagnerianern und untersucht das Unbehagen der Wagnerianer angesichts der geringen Resonanz der neuen Tonsprache auf den Konzertpodien:
          "Das Musikfest der Missvergnügten.
     Sechs Jahre sind verflossen, seit aus Venedig die unerwartete Trauerkunde in alle Winde drang [... Respekt vor Wagner, sein unerfreuliches Vermächtnis sind die fanatischen missvergnügten Wagnerianer ... für den Concertsaal gebe es kaum Wagnersche, sondern nur Liszche Werke, die aber das Publikum herauslocken, und jüngere Wagner-Epigonen erlangen keinen Meisterbrief ...]
      [...] Die letzte, grösste und einzige Hoffnung setzten die musikalischen Revolutionäre in den greisen Wiener Meister Anton Bruckner, welcher allerdings wie kein Zweiter dazu berufen scheint, im Sinne der Missvergnügten zu wirken.
     [... in den eigenen Konzerten des Wagner-Vereins nur "würdige" Musik wie am 24. Februar ...] Das Programm war ein besonders gewähltes: Bruckner, der Heiland der musikalischen Reformirten, stand in der Mitte, Liszt und Wagner nahmen die Stellen der beiden Schächer ein, und der grosse Meister des Musikdramas mag sich für diesen Ehrenplatz bedanken. Wir haben in unserer Zeitschrift schon wiederholt, vielleicht allzuoft über Bruckner gesprochen, und seine E-dur-Symphonie ist für uns keine Neuigkeit mehr. Heute wie früher staunen wir über die Grösse ihres Entwurfes, über den Aufbau ihrer Motive, wir bewundern die Kraft, die Kühnheit und Steigerungsfähigkeit der Bruckner'schen Tonsprache, aber wir ärgern uns gleichzeitig über ihren Schwulst, ihre Mass- und Geschmacklosigkeit. Es kommt uns nicht in den Sinn, den ehrwürdigen Mann selbst, welcher ein langes, bescheidenes Leben dem Erreichen seiner Ideale geopfert hat, in irgend einer Art zu verlästern. Bruckner schreibt eben, wie er muss und kann, und er verdient die grosse Achtung, die Jedem gebührt, welcher im Glauben an sich selbst seiner Ueberzeugung treu bleibt, sei diese nun richtig oder nicht. Nie werden wir aber eine Richtung gutheissen, welche die Grenzen und Ziele der Kunst gänzlich verkennt und die keusche Muse der Symphonie in der üppigen Sprache Tristan's, Wotan's oder Kundry's reden lässt. [... Ausbildung am Konservatorium fruchtlos ...] [... über das Konzert ... bei Liszt "so viel Noten und so wenig Musik" ... über "Tannhäuser"-Musik ...] Die Gemeinde der Missvergnügten war einige Stunden lang vergnügt; im Musikvereinssaale, welcher mässig gefüllt war, gab es fast durchwegs fremde Gesichter und Gestalten, und auch sonst ging es recht fremdartig zu. Weit verschieden von der Beifallsbezeigung einer begeisterten, aber gebildeten Hörerschaar, gab es nach jedem Stücke ein wüstes Gejohle, ein wüthendes Geschrei und Getrampel, wie es eines Kunsttempels völlig unwürdig ist, und welches bei manchem Ruhiggesinnten Abscheu erregte. Das Musikfest der Missvergnügten gestaltete sich zu einer wilden Orgie, während welcher die Herrin des Raumes, die Muse der Tonkunst, wol mit verhülltem Antlitz, erröthend und weinend, in der fernsten dunkelsten Ecke gestanden haben mag.
               Richard v. Perger." (°°°).

[Verspäteter] Hinweis auf das Konzert mit der 7. Symphonie [am 24.2.1889] in der "Caecilia" Nr. 6/7 (Algemeen muzikaal tijdschrift van Nederland) auf S. 14:
"    — Ten einde weinig bemiddelde kunstenaars en kunstvrienden het bezoek der Festspiele te Bayreuth mogelijk te maken, geeft de Wagner-vereeniging hier een concert, waarvan de opbrengst tot dit doel is bestemd. Ter uitvoering komen: Marsch der drie Koningen uit Liszt's «Christus», 7de symphonie van Anton Brückner en Voorspel, nieuwe inleiding en eerste scène uit Wagner's Tannhäuser." (#)


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188903015, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188903015
letzte Änderung: Mär 19, 2023, 20:20