zurück 27.3.1890, Donnerstag ID: 189003275

Artikel im »Vaterland« Nr. 85 auf S. 2 des Beiblatts [= Abendblatt?] (signiert »-o.-«) über die Vernachlässigung Bruckners in den Philharmonischen Konzerten. Auf derselben Seite (in der linken Spalte) ist der eingangs erwähnte Konzertbericht (signiert "-n.") zu finden.
          »Ein Opfer der Wiener Musikkritiker.
     Das im heutigen Abendblatte mitgetheilte Programm des letzten philharmonischen Concertes brachte vielen Kunstfreunden eine herbe Enttäuschung: wieder fehlt der Name unseres Anton Bruckner in demselben und das Wiener Publicum steht abermals - wie schon mehrere Jahre hindurch - am Ende der Saison vor dem Räthsel, wie es möglich ist, daß die Philharmoniker mit einer Gemüthlichkeit sonder Gleichen den großen vaterländischen Tondichter von Jahr zu Jahr weiter ignoriren und dafür einen wahren Cultus mit ausländischen Componisten treiben. [...] Nach dem Tode Wagner's und Lißt's war es [für] die diesen Meistern feindliche Clique höchst unbequem, daß in Bruckner ein Mann in den Vordergrund trat, desen geniale Begabung in das Format des Simrock'schen Verlages sich nicht fügen ließ. [... Kalbeck anfangs wohlgesonnen, später siehe "Musikalische Wohl= und Uebelthäter" ... Hanslick: Bruckner "widerwärtig wie Wagner" ...] die Philharmoniker zittern vor Hanslick's Feder und das allein ist der Grund, daß Bruckner in den Programmen dieser Gesellschaft schnöde ignorirt wird. Dieses Mamelukenthum unseres ersten Concertinstitutes aber darf nicht ignorit werden. [...] Aber Geduld! Auch unser vielgeschmähter und zurückgesetzter Bruckner wird zu Ehren kommen, wenn die Macht jenes feilen und dabei terroristischen Scribententhums gebrochen ist. [... Mörgenröte dämmert ... es wird] der Nachwelt ein erhebendes Beispiel sein für die beklagenswerthen Erfolge einer nur von einseitiger Reclamesucht erfüllten, der großen Kunstidee aber verständnißlos gegenüberstehenden feilen Kritik.      -o- «.
In der Konzertkritik selbst war ein ähnlicher Ton zu vernehmen: "[... über das erneute Auftreten Goldmarks mit einer Ouvertüre ...] und da sich diese Musikgesellschaft vaterländischen Tondichtern gegenüber stets sehr entgegenkommend verhält - wenn die Betreffenden nicht eben wirklich große Genies sind - so bekamen wir gestern noch eine Goldmark'sche Ouverture [...] zu hören. [... schlechte Beurteilung, auch des Orchesters "sichtliche und hörbare Unlust" ... Lob für Liszts Dante-Symphonie ...]      -n." (*).
 
Im Artikel des Deutschen Volksblatts Nr. 442, S. 2 der Abendausgabe, über die Gründungsversammlung des »Neuen Richard-Wagner-Vereins« am 20.3.1890 wird auch Bruckner erwähnt:
   "Neuer Richard Wagner-Verein zu Wien.
    In J. Leber's Bierhalle, I., Babenbergerstraße 5, fand am 20. März d. J. die gründende Versammlung des "Neuen Richard Wagner-Vereines zu Wien" statt. [... der Saal] war bis auf das letzte Plätzchen von begeisterten Wagnerianern und treuen Anhängern der deutschen Sache gefüllt. [... anwesend: Burschenschaften, nationale Vereine ... dem Vorstand gehören an: Emil Maria Steininger, Hubert Steiner, Josef Czerny, Alfred Mortenthaler, Ludwig Eisner, Camillo Horn, Josef Reiter ... laut Czerny soll eine "jugendkräftige und vor Allem rein deutsche Wagner=Gemeinde" herangebildet werden ...] Der nun zunächst vom Vorstande gestellte Antrag, Meister Anton Bruckner, den von der Presse so lange todtgeschwiegenen Erben des Beethoven'schen Genius, zum Ehren=Mitgliede und den geistigen Schöpfer des neuen Richard=Wagner=Vereines, Herrn August Göllerich, zum Ehren=Obmanne zu ernennen, fand einhellige Annahme und rief einen wahren Sturm echt deutscher Begeisterung hervor [...].
   [...] Ebenso schönen Dank ernteten die Herren Lippert und Reiter mit der vierhändigen Clavieraufführung des "Kaiser=Marsches" von Richard Wagner und die Herren Haller und Reiter mit derjenigen des Adagios aus dem Quintette von Bruckner, welche der künstlerischen Reife und dem ernsten Streben dieser jungen Musiker ein treffliches Zeugnis gab. [... über Göllerichs Grußtelegramm ... es sei zu hoffen, daß] der junge Verein nationaler Wagnerianer erstarken, blühen und gedeihen möge." [keine Signatur] (**).

Auf S. 44 einer beigehefteten Beilage (mit kleinerem Format, separater Seitenzählung und offensichtlich zum Herausnehmen, Sammeln und Binden gedacht) findet sich die Auflösung eines Rätsels vom 16.3.1890:
          "Richtige Lösung des Diamant-Räthsels in Nr. 431.
A, Inn, Patti, Dolomit, Intendant, Seeglbarken, Anton Bruckner, Todesurtheil, Strachino, Böcklin, Zange, Beg, R.
     Die Buchstaben der horizontal und vertical punktirten Reihe geben Vor= und Zunamen unseres gegenwärtig größten lebenden Musikers, Anton Bruckner.
          Richtige Lösungen sind eingelangt von:
     Berg Theodor, Demel August, Gerhard Franz, Ludwig C., Niederer Franz, Neumann Eduard, Opletal August, Pretsch Ernst, Stichweh Auguste, Vogel Rosa, Wittek Carl, Winter Alfred." (***).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189003275, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189003275
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11