zurück 7.12.1890, Sonntag ID: 189012075

Im Artikel Josef Stolzings in der Ostdeutschen Rundschau Nr. 36, S. 6, über das 2. philharmonische Konzert am 23.11.1890 wird auch Bruckner erwähnt (*).
In derselben Nummer bespricht Stolzing auch das Konzert vom 27.11.1890 mit dem Quintett (**):
     (*)/(**) "Ueber die Brahms'sche Symphonie haben wir nichts zu sagen, sie ist geradezu typisch für das Schaffen Brahms', der über seinen Mangel an wirklichen musikalischen Themen durch ein unverständliches Tönechaos hinwegzutäuschen glaubt. [... über den auch von Wagner angezweifelten Begriff "absolute Musik" ...] Man braucht nur das Scherzo der siebenten Symphonie Bruckner's mit dem Scherzo der D-dur Symphonie Brahms' zu vergleichen, um sich so recht über die Schaalheit Brahms'scher Tonwerke klar zu werden.
     [... Mendelssohns Athalia-Ouvertüre als Konzession an das größtenteils semitische Publikum? ...]
     Der zweite Kammermusik=Abend des Hellmesberger=Quartetts brachte uns das wunderschöne Quintett von Anton Bruckner. Wer das herrliche, tief ergreifende Adagio je gehört hat, wird es wohl nie vergessen. Schwermuthsvoll, der Stimmung gleich, ist es, die das Herz eines Menschen durchbebt, wenn der Morgen grau herandämmert, und ein trübes Licht durch finstere Wolken scheint, wenn sein Auge auf die Züge eines geliebten Todten sieht, den bald die regennasse Erde aufnehmen wird. Doch in überströmender, himmelhoch jauchzender Freude, erklingt hierauf das Scherzo, unzerstörbare Lebenslust, unversiegbare Kraft, athmen seine kräftigen Akkorde. Da hebt ein Singen und Jubeln an wie Vogelgezwitscher im Mai, wenn das helle Morgenroth den Wald aus dem Schlummer küßt.
     Heil der deutschen Musik, daß sie noch einen Bruckner besitzt!
     Wir hatten die Freude, den Meister an dem Abende begrüßen zu können, und der stürmische Beifall, der ihn umtobte, mag ihm beweisen, daß trotz Hanslick und Genossen, die wahren Anhänger deutscher Kunst ihn als Meister verehren.
     Für das Piano=Quintett Zellner's in D-dur konnten wir uns nicht besonders erwärmen. Nach dem Bruckner'schen Wunderwerke klingt es manchmal gar zu dürftig. [über weitere Konzerte, Stavenhagen ...] 
          Josef Stolzing."
[Unmittelbar folgend eine Notiz über ein Liszt-Konzert Göllerichs und Theodor Schmidts an der Ramann-Volckmannschen Musikschule in Nürnberg, das am 23.11.1890 wiederholt worden war.] (**).

Das Wiener Salonblatt Nr. 49 bringt auf S. 9 eine Kritik Wilhelm Freys zum selben Konzert:
          "Oper und Concert.
Nach dem ersten Spiel=, Liebes= und Champagnerrausch, den die schöne Manon im Hofoperntheater erzeugt, trat eine kleine Ernüchterung ein. [... van Dyck erkrankt ... über Massenets und andere Opern ...]
     Am zweiten Hellmesberger=Abend am 27. v. M. stand Bruckner's F-dur=Quartett [sic] auch auf dem Programm. Diese Composition zeigt in ihrem Adagio den gedankenreichen, tiefempfindenden Musiker, in den anderen Sätzen jedoch, ganz besonders aber im Finale, eine maßlose und nur immer wieder von den Grundlinien abschweifende Phantasie. Es gereicht dem Quartettverein Hellmesberger zur vollen Ehre, daß er von Zeit zu Zeit dem alten und gewiß verdienstvollen Musiker die Genugthuung verschafft, seine Werke in möglichster Vollkommenheit zu hören, allein die Freunde Bruckner's sollten sich nicht zu dessen Feinden machen, indem sie jedes seiner Werke zu provokatorischen Demonstrationen benützen und dadurch dem Ansehen ihres Meisters nur schaden. Der Concertsaal ist keine Wählerversammlung und Herr Bruckner kein Candidat, der so und so oft auf die Tribüne gezerrt werden muß. Er sorgt für seine Unsterblichkeit schon selber.
     [... über weitere Kammermusik- und Klavierabende ... auf S. 10 die Signatur:]
                            Wilhelm Frey." (***).

[Vermutlich 1890 und nicht 7.12.1889, siehe Anmerkung]
Brief von Max von Oberleithner an Bruckner:
    Er sei heute aus Bozen zurückgekehrt und werde ihn am Dienstag [9.12.1890] zum Harmonielehre-Unterricht aufsuchen (°).

(3. Philharmonisches Konzert unter Hans Richter mit Werken von Goldmark, Henselt und Schumann (3. Sinfonie) (°°)).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189012075, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189012075
letzte Änderung: Mär 30, 2023, 12:12