zurück 11.1.1891, Sonntag ID: 189101115

Besprechung der 3. Symphonie [am 21.12.1890] durch Josef Stolzing in der Ostdeutschen Rundschau Nr. 2 auf S. 8:
"Viertes philharmonisches Concert am 21. December 1890.
Erste Aufführung der D-moll-Symphonie Nr. 3 von Anton Bruckner in den philharmonischen Concerten.
Leitspruch: Ganz unverständliche Melodei! | Aus allen Tönen ein Mischgebräu'! | (Beckmesser, vulgo Hans Lick.)
     "Die Musik ist nämlich eine so unmittelbare Objectivation und Abbild des ganzen Willens [... Schopenhauer etc. ...] 
     Die Symphonie ist eine durchaus deutsche Schöpfung, in ihr legte der Deutsche das lautere Gold seines Geistes nieder [... über die Entwicklung der Gattung ...]
     Anton Bruckner hat die alte Form behalten und nur die rein technischen Fortschritte in der Musik, im Orchester, verwendet. Der greise Meister ist viel zu sehr absoluter Musiker, als daß er bei seinem künstlerischen Schaffen an etwas Anderes, als an Musik denken würde. [... naiv, frisch, wohltuend nach dem "Geschwätze von Brahms" ... lächerliche Referate in allen Blättern (angeblich Programmmusik, über Richard Heuberger, Hanslick ("dreißigjährige Freundschaft mit Bruckner! Der spaßhafte Mann!" ... ein Rätsel,] daß Anton Bruckner, der gewiß nicht  bei der Presse und beim Publicum im Verdachte einer deutschnationalen Gesinnung steht, in der Weise von der sogenannten öffentlichen Meinung angegriffen wird? - Der große deutsche Meister ist als Mensch naiv und liebenswürdig, sein innerstes Wesen wird so wenig von dem Einflusse jüdischer Elemente berührt, daß er sogar mit Juden oder doch Judenstämmlingen in freundschaftlicher Weise verkehrt. Auch hat er kein "Judenthum in der Musik", kein "Modern", kein "Erkenne dich selbst" auf dem Gewissen! - Anton Bruckner wurde von dem Zeitpunkte an so befehdet, als er seine vierte Symphonie [sic] dem Meister Richard Wagner widmete. Und wehe denen in der Ostmark, die sich als Vollblut-Wagnerianer, wie Wolzogen so trefflich dieselben nennt, bekennt! Erlebt doch der akademische Wagnerverein genug Angriffe, obgleich er alle Jene ausgeschieden hatte, die den Vorstand daran in zarter oder grober Weise erinnerten, daß Wagner bis an sein Lebensende Antisemit war.
      [... Wagners Aufführungsversprechen zu Bruckner und Ablehnung der Presse ...]
      Mit welchem Jubel, mit welcher Freude die D moll-Symphonie von den zahlreich erschienenen Freunden unverfälschter deutscher Kunst begrüßt wurde, mag dem Meister beweisen, daß das deutsche Volk [...] ihn stets auch nennt, wenn es die Namen Wagner und Liszt ausspricht. Bruckner ist ein echter Künstler, der die Herzen begeister und erhebt. Doch wenn seine Musik uns entzückt und hinreißt, dann steht er vor uns - der schlichte Mann, und wir erinnern uns mit inniger Rührung daran, daß die heiligsten Thränen seinen Augen entfließen, wenn er Richard Wagner's gedenkt.    cc Josef Stolzing."
[das Werk, die Musik und die Aufführung erfahren keine Besprechung!] (*).
  
In derselben Zeitung wird auf S. 5f von den zehn Abenden des Neuen Richard-Wagner-Vereins berichtet, an denen auch das Adagio des Quintetts erklang, einmal in einer Fassung für Klavier vierhändig und einmal für Klavier zweihändig:
" [...] Außerdem wurden aufgeführt: [...] c) vierhändig: Bruckner: Adagio aus dem Streich=Quintett; [...] d) zweihändig: [...] Bruckner-Adagio aus dem Streichquintett. Vorgelelsen wurde: [...]" (**).

Ankündigung des Konzerts vom 25.1.1891 mit der 3. Symphonie im »Vaterland« Nr. 11, 1. Beiblatt S. 1f: " - Anton Bruckner's dritte Symphonie in D-moll (R. Wagner gewidmet), welche im vorletzten philharmonischen Concerte am 21. December v. J. den bekannten großen Erfolg gehabt hat, wird in einer vom Wiener akademischen Wagner=Vereine unter Leitung des k. und k. Hofkapellmeisters Hans Richter und Mitwirkung des philharmonischen Orchesters veranstalteten Musikaufführung am Sonntag den 25. d. M., Nachmittags halb 1 Uhr im großen Musikvereinssaale zur Wiederholung gelangen, und es werden hiebei [... die weiteren Werke, Vorverkauf ...]" (***)

und in der Neuen Freien Presse Nr. 9475 mit einem Inserat auf S. 13: "GROSSER MUSIKVEREINS-SAAL. | Der Wiener Akademische Wagner=Verein, Zweigverein des Allgemeinen Richard Wagner=Vereins, veranstaltet eine | Musik-Aufführung | am Sonntag den 25. Januar, Mittags ½1 Uhr, | unter Leitung des Herrn k. k. Hof=Capellmeisters Hans Richter und Mitwirkung des k. k. Hof-Opern-Orchesters. | PROGRAMM: [...] - 3. Anton Bruckner: III. Symphonie D-moll (Richard Wagner gewidmet). | [... über den Kartenverkauf ...]
Das Reinerträgniss der Musik=Aufführung dient zur Ausgabe von Stipendien und Freiplätzen an minderbemittelte Künstler, Kunstjünger und Kunstfreunde für die Bayreuther Bühnenfestspiele 1891." (°).

Kalendernotiz Bruckners: Zusatz »Br« bei dieser Woche [Dienst an der Hofkapelle] (°°).

(2. Gesellschaftskonzert unter Gericke mit Werken von Bach, Mozart, Brahms und Händel (°°°)).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189101115, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189101115
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11