zurück 8.4.1891, Mittwoch ID: 189104085

Brief von Alfred von Kogerer an Bruckner:
     Sendet per Postanweisung 500 Gulden im Auftrag von Landgraf Fürstenberg (*).

Brief von Felix Weingartner an Hermann Levi:
[gedruckter Briefkopf links oben: "Grossh. Badisches | Hof- & National-Theater | MANNHEIM."
     "Mein lieber guter Papa! | Graf Kochberg hat mich sehr dringend schon für 1. April verlangt und ist endlich zwischen ihm und Stengl ein Übereinkom[m]en getroffen worden, dass ich am 15. hier zum letztenmale dirigiere und dann sofort in Berlin eintrete. | Wie gerne nähme ich Dein liebes Anerbieten an. Ganz abgesehen davon, dass ich wirklich etwas Ruhe brauchte wäre ich so gerne wieder einige Zeit mit Dir zusam[m]en gewesen und hätte in München was Schönes gehört.  Doch Du siehst selbst, dass es nicht geht. Tausend Dank! | Über die traurigen Verhältnisse hier erzähle ich Dir ein mal mündlich. Ich bin froh, jetzt ruhig von hier fortzukönnen, denn nach den letzten Vorgängen hätte ich vielleicht doch meine Entlassung fordern müssen. St. trägt nicht allein die Schuld. Die Leute hier wollen's nicht besser | Bruckner konnte ich leider nicht mehr aufführen. Die Symphonie bietet derartige Schwierigkeiten dass ich die notwendigen Proben nicht mehr herausbrachte, | Wir hatten neue Tubisten, die für diese Instrumente nicht eingespielt waren. Nibelungen geben wir ja nicht mehr! resp. können nicht! Mit diesen Tubisten hatte ich bereits 3 Specialproben gehalten, ohne ein einigermassen erträgliches Blasen erziehlen zu können Die Arbeit wäre, da jetzt fast jeden 2.ten Tag grosse Oper nicht mehr zu überwinden gewesen. Ich habe B. in einer langen Depesche die Verhältnisse klargelegt. Er scheint einsichtsvoll zu sein und wird ihm insoweit kein Schade erwachsen als Richter sie in London sofort aufführen will. | Die Klangwirkung der VIII. Symphonie ist leider oft eine beleidigend rohe und decken die Gedanken die aufgewandte Masse nicht. | — | Ich hatte niemals persönlich Conflict mit St. Er ist mir stets entgegengekom[m]en. Doch konnte ich gegen die allgemeine Physiognomie seines Systems nicht an. | Er ist sprunghaft in seinen Entschlüssen, unentschieden, als Regisseur viel zu eitel – äusserlich – launisch u. oft tyrannisch gegen das untergeordnete Personal. Kurz! Das Gegenteil von dem was hier notwendig. Du würdest unser Theater nicht wiedererkennen. | Nun auf nach Berlin! Kann ich nun gutes künstlerisches leisten, so ist es mir wahrhaftig gleichgültig, ob der Ort Berlin oder XY heisst. | Leb wohl für heute. Tausend Grüsse. Deine Nichte sprach ich in letzter Zeit öfters, sie brachte mir Deine Grüsse. Sonst möge es beim Alten bleiben. Ich hege keine Spur von Groll. Doch ein intimer Verkehr ist nicht mehr möglich und so ist es, nachdem wie wir einstens gestanden, besser so. Noch vielen Dank für Dein liebes Anerbieten, darf ich es später einmal annehmen? | Dein getreuer | Felix | 8. 4. 91."

[englische Teil-Übersetzung]
     »Unfortunately I couldn't perform the Bruckner. The symphony offers such difficulties that I could not demand the necessary rehearsals. We had new tuba players who were not experienced enough in their instruments ... I clarified the circumstances to Bruckner. He seemed to be understanding and sees no harm as Richter will immediately perform it in London. The sonorous effect of the Eigth Symphony is unfortunately offensively raw ...« (**).

Datierung in der Partitur der 1. Symphonie (***).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189104085, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189104085
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11