zurück 27.10.1891, Dienstag ID: 189110275

Inserat zu Göllerichs Konzert im Fränkischen Kurier (Abendblatt, S. 5)
und im Generalanzeiger (*),
der zusätzlich eine Vorbesprechung der 4. Symphonie bringt (**).

Theodor Helms Artikel »Die Pflege der Kirchenmusik in der Gegenwart« in der Deutschen Zeitung Nr. 7120, S. 1 - 3, geht auch auf Unterschiede zwischen Liszt und Bruckner ein:
"Zur Pflege der Kirchenmusik in der Gegenwart.
     Was ist die Aufgabe echter Kirchenmusik? Doch zur Andacht zu stimmen, die Würde und Feierlichkeit des Gottesdientes zu erhöhen, die religiösen Geheimnisse der heiligen Handlung dem Gemüth des Hörers näher zu bringen. Wie aber ist dieses erhabene Ziel zu erreichen? [... die Meinungen gehen auseinder ... einerseits die asketisch spröde Welt des Cäcilianismus, andererseits die Idee, die heutigen Ausdrucksmittel "in den Dienst der heiligen Sache" zu stellen ...] Daß auch diese Richtung tönende Wirklichkeit erlangte, wissen wir unter Anderem aus den großen Messen Franz Liszt's und Anton Bruckner's, so sehr im Einzelnen auch diese echt religiös gemeinten Kunstwerke auseinandergehen. [... über die Entwicklung seit dem 16. Jahrhundert bis heute (in Italien erklingt sogar Opernmusik beim Gottesdienst!) ... S. 2: ... Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Cherubini, Weber ... über Franz Witt und den Cäcilien-Verein und die kürzlich bei der Generalversammlung in Graz geäußerte Kritik an der österreichischen Kirchenmusik -F. X. Haberl taxiere das Niveau der Wiener Kirchenchöre unter das technische Niveau der Volksgärten und Gartenkonzerte; in seltenen Fällen sei die Kritik vielleicht berechtigt (Ursache: Geldmangel), nicht aber bei Hofburgkapelle und z.B. Votivkirche ... eine Verteufelung der Instrumentalmusik sei nicht berechtigt, wozu sich auch J. E. Habert in der Neuen Wiener Musikzeitung 1890/6-10 geäußert habe ... S. 3: ... die Instrumentalmusik brauche keine Verteidigung, da sie jahrhundertelang erprobt sei ... Beethovens Missa solemnis sei ein Beispiel:] Dringen diese überirdischen Klänge nicht tausendmal tiefer ins Gemüth des Hörers, als die auch noch so untadelhaft declamirten und auf's strengste den liturgischen Vorschriften nachkommenden, dabei aber stocknüchternen Vocal=Messen mancher Herren Cäcilianer? Und auf''s Gemüth zu wirken, ist doch die erste Aufgabe aller Musik, und gar einer Musik, die den heiligsten Dingen zugewendet, mit denen der kalte Verstand für sich allein nichts anzufangen weiß [... zur Regelkenntnis und -erfüllung müssen sich "Talent, Phantasie, Erfindungsgabe, dann aber auch gründlichste musikalische Bildung und tiefstes Durchdrungensein von der Bedeutung des Gegenstandes gesellen" ... heute sind die "stilistischen Anforderungen strenger" geworden, weil "die frühere naive Gläubigkeit verloren ging." ... eine 16stimmige Messe von E. Grell ( †1886) sei ein gutes Beispiel ...]
     Als einen Meister, der einerseits [... satzungsgetreu, mit Musik als Dienerin des Gotteswortes ...] sich mit den Cäcilianern begegnet, andererseits von diesen aber durch unbedenkliche Verwendung aller modernen Mittel schroff sich scheidet, erkennen wir Franz Liszt, dem gegenüber unser gleich großartig gestaltender Anton Bruckner mehr wie ein Sohn der Kirche selbst, in ihr aufgewachsen, an ihren Gebräuchen instinctiv festhaltend erscheint. Daß übrigens wie auf rein symphonischem Gebiete Liszt mehr Poet, Bruckner mehr absoluter Musiker, daher Ersterer wesentlich dramatisch, Letzter contrapnktisch steigert, ergibt ein Vergleich der Hauptmesse beider Meister zur Genüge. [... der Kirchenkomponíst müsse seiner inneren Stimme folgen, dem natürlichen Bewußtsein und der persönlichen Begabung ...] Sich schnurgerade auf dem liturgischen Wege zu halten, können dem kirchlichen Kunstjünger die Principien des Cäcilienvereins führende Leuchte sein, als Musiker wird er nie vergessen dürfen, daß ohne Wärme und Innigkeit des Empfindungsausdruckes , und dem entsprechend ohne melodisch=harmonische Fülle, [?] wie Eindringlichkeit auch die sorgfältigst durchgearbeitete Meßcomposition an den Hörern wirkungslos vorübergleiten muß.
                    Theodor Helm." (***).

Brief von Leopold Alexander Zellner an Bruckner:
     Am 31.10.1891 finde zu Ehren Hellmesbergers eine Feier statt. Die Grußadresse des Lehrkörpers möge Bruckner baldmöglichst unterschreiben (°).

(Bei der Vortragsübung am Wiener Konservatorium spielen u. a. Hermann Dorfmeister Orgelstücke von Mendelssohn und S. de Lange und Enescu eine Mazurka für Violine (°°).

(Brief von Joh. Ev. Habert an Bernhard Deubler:
     Anbei die versprochenen Werke zum Verbleib und Fotografien von Werken Josef August Untersbergers (noch ohne den Breslauer Kreuzweg) (°°°)).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189110275, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189110275
letzte Änderung: Sep 24, 2024, 19:19