zurück 14.12.1891, Montag ID: 189112145

Schwanzaras Aufzeichnung der Universitätsvorlesung Bruckners (*).

Artikel von Dr. J. Königstein [der aber nicht mit seiner Signatur zu erkennen ist] im Illustrierten Wiener Extrablatt Nr. 343, S. 4, über die 1. Symphonie:
"Theaterzeitung.
     Im dritten philharmonischen Concert,

das gestern Mittags im großen Musikvereins=Saale stattfand, wurde ein Jugendwerk des neuestens vielgefeierten Ant. Bruckner, dessen Symphonie in C-moll zur ersten Aufführung gebracht. Man hat damit dem greisen Jüngling keinen Gefallen erwiesen. Diese erste Brucknersche Symphonie zeigt die charakteristische Hilflosigkeit des Componisten im künstlerischen Aufbau seiner Werke in erhöhtem Maße. Die Themen, zum großen Theile von unleugbarer gigantischer Energie, wirbeln, nacheinander vom Streichorchester, vom Blech und vom Holz, zumeist unmotivirt und stockend übernommen, durch die Luft, wie wenn ein Briareus eine in tausend Trümmer zerschlagene Erzstatue des Michelangelo jonglirend durch einander schleudern würde. Hier der Kopf, dort das Stück eines Armes, da ein Fragment des Fußes ... alle Elemente und Glieder für einen organischen Leib; nur schade, daß keines am andern fest, keines an der richtigen Stelle sitzt. Ein derartiges Symphonie=Gestotter konnte nur ein Fiasco erreichen, das durch die lärmendsten Ovationen der Brucknergemeinde nicht übertäubt zu werden vermag. Am besten gerathen ist der dritte Satz, ein Scherzo, das in der ersten Hälfte leidlichen Fluß und leidliche harmonische Logik zeigt. In demselben Concerte [... kurz über Beethoven, Spohr und Johannes Wolff ...]" [keine Signatur] (**).

Von dem Konzert am 13.12.1891 berichten auch
Theodor Helm in der Deutschen Zeitung Nr. 7168 (Abendausgabe) auf S. 1f, signiert "h-m.":
     "(Drittes philharmonisches Concert.) In dem gestrigen philharmonischen Concert errang Bruckner's erste Symphonie (C-moll; 1865 - 1866 geschaffen, neuerdings etwas umgearbeitet) bei ihrer überhaupt ersten wirklichen Aufführung (denn die mit gänzlich unzureichenden Mitteln 1868 in Linz versuchte konnte nur als Probe gelten) einen vollkommen durchschlagenden Erfolg. Nach jedem Satze wurde Bruckner stürmisch gerufen, nach dem ideal schön verklingenen Adagio (As-dur) erhielt er auch einen mächtigen Lorbeerkranz. Es ist dieser glänzende, völlig unbestrittene Erfolg umso höher anzuschlagen, als das staunenswerth polyphone Werk zwar zu seines Schöpfers interessantesten, kühnsten und großartigsten gehört, aber auch unbedingt die schwerst verständliche, verwickeltste, in Einzelnem seltsamste Musik enthält, die von Bruckner je in Wien gehört wurde. Wir denken bei dieser Bemerkung vor Allem an das kolossale Finale, dessen unerschöpflicher Contrapunkt, jedes herkömmlichen Maßes vergessend, Raum und Stoff für drei große Symphoniesätze hergäbe. Auch der erste Satz und das geheimnißvolle Adagio - nach unserem subjectiven Empfinden durch wunderbare Tiefe und melodische Innigkeit die Perle des Ganzen - bieten trotz mancher sofort erkennbarer Einzelschönheit dem allgemeinen Verständnisse auf's erstemal Hören bedeutende Schwierigkeit; am raschesten überzeugt wie gewöhnlich bei Bruckner das in klarsten, knappen Formen gehaltene Scherzo, ein trotzig aufstürmender Dreivierteltact (G-moll), dessen voll süßen Liebreizes sich im Ländlertempo wiegendes Trio (G-dur) uns wieder einmal in die Heimat des Tondichters, das schöne Oberösterreich, versetzt. Bezüglich der Tempo=Angabe des Finales ist der arge Druckfehler auf dem Concertzettel: bewegt=ruhig (!) in "bewegt, feurig" zu berichtigen. So steht's wörtlich in der Partitur. Vor 10 bis 15 Jahren wäre eine derartig die höchste Aufmerksamkeit und Geduld der Hörer in Anspruch nehmende "Neuheit" von dem philharmonischen Publicum ohneweiters abgelehnt worden; heute hat sich der "junge Doctor Bruckner" so in allgemeines Ansehen gesetzt, dass Niemand einen Widerspruch wagt, sondern, wo er auch nichts versteht, die ungegriffene Größe ahnend, mit verhaltenem Athem zuhorcht. Uns einen ausführlicheren Bericht über die Symphonie - soweit sich ein solcher ohne Vorhandensein eines Clavierauszuges geben läßt - vorbehaltend, bemerken wir für heute nur noch, daß das in Rede stehende philharmonische Concert mit Beethoven's genialer C-dur=Ouverture op. 115 ("Zur Namensfeier") würdig eingeleitet wurde und sich auch ein in Wien noch unbekannter Violinspieler Herr Johannes Wolff mit dem klangschönen, geschmackvollen und technisch ausgefeilten Vortrag der lange nicht gehörten Spohr'schen "Gesangsscene" (Violin=Concert Nr. 8, A-moll) lebhaftesten Beifall erwarb. Das Hauptinteresse lenkte sich aber natürlich auf Bruckner's Symphonie, für die Ausführenden eine der allerschwierigsten und anstrengendsten Aufgaben, die vom Orchester unter H. Richter's Leitung im Ganzen glänzend gelöst wurde.
                    h-m." (***)

und die Extrapost Nr. 517 (Wiener Montags-Journal) auf S. 6:
     " - Das gestrige dritte Philharmonische Concert brachte als Hauptnummer die erste Aufführung der C-moll-Symphonie von Bruckner. Es war ein verfehlter Gedanke durch die Vorführung der ersten Symphonie, welche zwar alle Schwächen, aber nicht die Vorzüge unseres heimischen Meisters zeigt, Bruckner anläßlich seiner Promivirung zum Ehrendoctor ehren zu wollen und das Publicum bewies sich auch nicht besonders dankbar dafür. Was helfen alle Lorbeerkränze, welche Bruckner überreicht wurden, wenn ein warmes Entgegenkommen zwischen dem Publicum und dem Componisten sich nicht eingestellt hatte. Den Beifall, welcher nach den einzelnen Sätzen im Saale erscholl, bestritt fast einzig und allein eine kleine Brucknergemeinde. Den meisten Anklang fand der dritte Satz, ein energisches Scherzo von ununterbrochenem Gedankenfluße, der nur im Trio gehemmt erscheint. Keiner der anderen Sätze stand auf der Höhe dieses Scherzos. Ueberall fehlte die besonnene Vertheilung von Licht und Schatten und eine vollständige Beherrschung der Orchestermassen. Die drei Theile des Orchesters, Streich=, Holz= und Blechinstrumente, schieden sich scharf von einander und wechselten in rascher Folge ohne Uebergänge ab, so daß das Werk den Eindruck des Abrupten, Zerrissenen, Potpourrimäßigen machte, statt den eines in strenglogischer Gedankenfolge sich aufbauenden und steigernden geschlossenen Kunstwerkes. Hätte man dem greisen Meister eine würdige Ehrung und dem ohnehin nicht brucknerfreundlichen Publicum ein die Bedeutung Bruckner's als Symphoniker klarbeweisendes Werk vorführen wollen, so hätte die Wahl nicht auf dieses Jugendwerk fallen dürfen, das auch dem Brucknerfreunde keine echte Bewunderung abnöthigen kann. Der Symphonie ging die herrliche Beethoven'sche Ouverture "zur Namensfeier" und die Spohr'sche Gesangscene, von Herrn Wolf innig und schlicht gespielt, voran." [keine Signatur] (°).

Daniel de Lange kommt im zweiten Teil seiner Besprechung des Konzerts vom 3.12.1891 in "Het nieuws van den dag" Nr. 6707 (Amsterdam) auf S. 10 auf Bruckners Werk zu sprechen:
"             MUZIKALE KRONIEK.
         „TE DEUM" VAN BRUCKNER.
     Zooals ik in mijn laatste schrijven zeide, begin ik ditmaal met eene korte bespreking van Bruckner's "Te Deum." Het werk als geheel heeft geen bijzonderen indruk op mij gemaakt; haast zou men willen zeggen: „veel geschreeuw en weinig wol".
     De aanvang is een groot c-akkoord met achtsten begeleiding, grondtoon en quint in 't strijk-quartet en gehouden leege quint in blaas-instrumenten en orgel. Dit massa-effect, waarbij de stemmen de eerste woorden van het „Te Deum" zingen, klinkt indrukwekkend. De afwisselende solo-gedeelten zijn daarentegen zeer onbeduidend; Bruckner heeft hier blijkbaar alleen het klankeffect op het oog gehad
     Bij de woorden: Te Ergo zingt de solo-tenor een kleinen, muzikalen zin, waarbij het solo-quartet het slotwoord herhaalt. Met begeleiding van klarinet, alt, cello en contrabas, later strijkquartet met solo-viool, terwijl bazuinen en tuba dit gedeelte afsluiten, maakt dit nummer een lieven indruk, ofschoon de melodische teekening er van niet zeer belangrijk genoemd mag worden.
    Hierop volgt een gedeelte, beginnende bij de woorden: Aeterna fac, dat als klankeffect herinnert aan het eerste deel. Weder verheft de tenor zijn stem, afgewisseld door solo-quartet en koor, zooals in het tweede gedeelte is omschreven. Ik kan niet zeggen, dat door deze herhaling dat gedeelte wint. Volgt een bas-solo, waarover ik, wegens de weinig schoone uitvoering van den Heer Van der Goten, geen gevoelen wensch uit te spreken, en het koor hervat daarna het eerste forte, bij het „aeternum".
     Bij de woorden: „In te Domino speravi" zet het soloquartet in, daarna treedt het koor in en ten slotte wordt uit dit een fuga geboren op het hier volgend motief:
    | 4 | 5  0   2 .2  3 3 | 4  4  0  4 |
    | 4 3 0 3 | 3 2 0 2 | 2 3  1 7  1 6 |
    | 6 5 4 3 enz. [siehe die Anmerkung]
     De bewerking van deze fuga schijnt mij, in tegenstelling met de werken van Bruckner, die ik vroeger leerde kennen, bijzonder weinig belangrijk; elk goed begaafd musicus, met voldoende voorstudiën, zou deze fuga hebben kunnen schrijven. Aan het slot laat de componist het eerste deel met trompet-fanfaren als culminatiepunt gelden. Buitengewoon verheffend klinkt dit niet; integendeel: mij klonk dat effect tamelijk banaal in de ooren. Ik betwijfel of Bruckner, indien hij niet door vroegere werken eene reputatie had verworven, met dit „Te Deum" naam gemaakt zou hebben. De uitvoering slaagde in het algemeen zeer goed. Het koor kon revanche nemen en maakte van die gelegenheid gebruik. De solisten waren: Mej. S. Spoor, die op allerliefste wijze hare partij vervulde en wier geluid zeer goed bestand bleek tegen de groote zaal, Mej. B. E. S. (wat een muzikale naam), wier krachtig en schoon altgeluid wij reeds vroeger in de Wagner-vereeniging leerden waardeeren, en de heeren Stachelhausen en Van der Goten. Eerstgenoemde zanger voldeed mij in dit werk beter dan in dat van Berlioz; het is meer in zijn genre, — niettegenstaande hier en daar een hooge toon een weinig benauwd klonk.
     Ik herhaal, wat ik reeds hierboven opmerkte» namelijk: dat de uitvoering van het werk als geheel zeer is te roemen, dat daarentegen de indruk van het werk gering is te noemen.
     [... über ein Konzert zu Mozarts Sterbetag ...].
                     DAN. DE LANGE." (°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189112145, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189112145
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11