zurück 15.12.1891, Dienstag ID: 189112155

Brief Hugo Wolfs an Emil Kauffmann:
     Über den »dank der trefflich organisierten Partei rasenden Erfolg« der 1. Symphonie, von der er nur das Scherzo und einiges vom 1. Satz verstanden habe. Der letzte Satz habe ihn geradezu empört. »Spektakel war jedenfalls genug« (*).

Artikel Göllerichs über den Commers (mit der nicht gehaltenen Festrede [2. Teil?]) im Deutschen Volksblatt Nr. 1058, S. 1-4 (**).
Er enthält den Text von Kerschbaums Gedicht »An Meister Bruckner« (***)
               "Anton Bruckner.
( Die beim Bruckner=Commers nicht gehaltene Festrede von August Göllerich.)
                         (Schluß.)
     Lange hatte sich Bruckner's Genius nur auf der Orgel entfaltet, da trat das Leben, Erleben, diese ganze Summe von Hoffnungen, Enttäuschungen, Erfahrungen an ihn heran und trieb ihn, sein Inneres in symphonischen Gebilden auszusprechen, uns in ihnen das Sein nach seiner eigentlichen Wesenheit schildernd. [... wie J. S. Bach fand Bruckner in seiner Umgebung nichtssagende ästhetische Masken-Musik vor, dennoch wurde er kein Umstürzler. Gegen den Zwang der Konvention setzte er die "ungehemmte Entfaltung seines inneren Genius", mußte aber wie ein Architekt einen Bauplan enhalten. Ohne Zugeständnisse an "mundus vult schundus" (Ausspruch Liszts). Daher Unverständnis bei den Kollegen und Kritikern. ... S. 2: ... Bruckner ist nicht einzuordnen, hat wahre Bildung, aber keine künstliche Verbildetheit, keine Unbildung. "So blieb Bruckner in seiner Un=Verbildetheit immer ganz eigen, immer ganz frei!" ... wahrhaftige Harmlosigkeit , "göttliche Naivetät", Grundsatz der Ästhetik "nur das Zwecklose ist schön!" ... auch Mozart und Beethoven stießen auf Unverständnis; mit der Verurteilung, er komponiere "Nichts als Hochverrath und Tyrannenmord", befinde sich Bruckner in bester Gesellschaft. ... S. 3: ... die Frömmigkeit helfe Bruckner über die Widrigkeiten hinweg ... neben Liszt der einzige ernst zu nehmende Kirchenkomponist ... der echteste Wagnerianer, weil er dessen "Errungenschaften schaffend erfüllte" ... über Bruckners eigene Merkmale, seinen persönlichen Stil ... Bruckners Qualitäten als Lehrer; die Liebe zur Jugend ...] Dem Lehrer Bruckner kann gar nicht genug gedankt werden. Er kleidet die zu behandelnden Aufgaben in ein so köstliches und anziehendes Gewand humoristischer Weltanschauung, daß alle sonstige Trockenheit derselben in Genuß aufgeht. In diesen Vorlesungen kann denn auch Jedermann den über Alles liebenswerthen und bescheidenen Menschen Bruckner kennen und lieben lernen, der jede kleinste Gelegenheit benützt, seinen Zuhöreren Achtung aller großen Meister der veschiedenen Zeiten und Stile an's Herz zu legen, der Jugend gesundes Blut, offenen Sinn und die Losung einzuimpfen: "Selbst zusehen und selbst urtheilen." [... S. 4: ... über den spät eintretenden Ruhm; Bruckner (wie Friedrich der Große) im Alleingang an vorderster Front, hat mit Hilfe weniger Begeisterter den Weg zum Sieg sich gebahnt ... "unwahrhaftige Musik" führe zum Erlöschen ...] So hat das ganze deutsche Volk Bruckner, diesen Titanen im Kampfe mit den Götter [sic], zu ehren, zu lieben und zu preisen!
     So wollen auch wir denn nimmermehr müde werden, den Ruhm des Tapferen, der Alles aus sich, Alles durch sich geworden, zu verkünden, für die Aufführungen seiner Werke zu wirken und vor Allem uns zusammenthun, eine würdige Gesammtausgabe aller seiner Werke, als dauerndstes Denkmal seines hehren Waltens zu errichten. Vieles und Höchstes seiner Schöpfungen kennt unser Volk noch gar nicht. Der Ruf, die Kenntnis all' dies Große [sic] vermitteln zu helfen, dringe in alle Gaue! Pflicht der deutschen Jugend der Ostmark ist es, zu sorgen, daß dem heimatlichen Meister echtest=deutscher Tonkunst sein Volk damit lohne, die Pflege seines Schaffens als Ehrenpflicht zu ersehen. Der Meister aber schenke unserem ehrlichen Wollen seine Liebe auch fürderhin. Immer fühle er sich umgeben von der Liebe seiner Gaudeamus, die aus voller Brust begeistert einstimmen in die Worte des Bruckner=Liedes, welches vor sechs Jahren sein Heimatland ihm zugesungen:
    
          Wie ist des Meisters Herz so mild,
          Sein Sinn so rein, so schlicht!
          Doch steht er als ein Fels im Meer,
          D'ran Feindes Brandung bricht!

          Seh'n wir den edlen Barden steh'n,
          So kühn, so unentwegt,
          Da tönt die Bitt' wohl hell und laut,
          Daß sie zum Himmel schlägt:

          O Gott, nimm ihn in Deinen Schutz
          Sei seiner Werke Hort,
          Sein Ruhm, sein Name und sein Werk
          Erblüh' und grüne fort!
    
     Unserem herrlichen, geliebten Dr. Anton Bruckner
                  Heil! Heil! Heil!"     (**)/(***).

In der "Lyra" XV, Nr. 5 (401) [recte Nr. 6 (402), siehe Anmerkung], wird auf S. 57 [= S. 3] der Festcommers des Wiener Akademischen Gesangvereins anläßlich des Ehrendoktorats erwähnt:
   »Bruckner=Commers. Der Wiener Akademische Gesangverein veranstaltete am 11. December aus Anlaß der Ernennung des Componisten Anton Bruckner zum Ehrendoctor der Wiener Universität im Sofiensaale einen Festcommers. Wir bringen ihm ein „Prosit”!« (°).

Besprechung des Amsterdamer Konzerts vom 3.12.1891 (mit dem »Te deum«) in der Caecilia Jg. 48, Nr. 24 auf S. 234f, signiert »X.« (°°).

Ein Artikel im Linzer Volksblatt Nr. 287 auf S. 2f, signiert "J. N. E." [Johann N. Enzlberger (siehe Anmerkung)], gibt einen Hinweis auf die Aufführung des "Te deum" am 1.12.1891 in St. Louis:
"                 Amerikanischer Brief.
     (Originalbericht des "Linzer Volksblatts.")
                          Piopolis, Ills., 24. November 1891.
     Eben fange ich wieder an, frei aufzuathmen, denn soeben habe ich das Manuscript des dritten deutsch=amerikanischen Schematismus beendet. Es war eine harte Arbeit, aus den Berichten von etwa 2700 Priestern in 79 Diöcesen etwa 660 Seiten Manuscript zusammenzuschreiben. [... 1869 in Chicago 5 deutsche Pfarrkirchen, jetzt 22 ...]
     Nächsten Montag, am Andreastage [30.11.1891], wird die nahe (nur 100 englische Meilen entfernte) Großstadt eine in Amerika nie gesehene Feier begehen. Am selben Tage vor 50 Jahren wurde nämlich der noch ziemlich rüstige Erzbischof Peter Richard Kenrick zum Bischofe geweiht. Ueber 50 Bischöfe, darunter alle übrigen 12 Erzbischöfe des Landes, sind als Gäste angemeldet. Alle Eisenbahnen gestatten die Festwoche hindurch Fahrkarten zu halben Preisen. Die Landler wird aber am meisten die Nachricht interessieren, daß hiebei das Te Deum von Anton Bruckner zur Aufführung kommt [1.12.1891]. Während die guten Irländer [Kenrick wurde in Dublin geboren] immer den Mund vollhaben vor lauter Ruhmrederei über die gloriosen Errungenschaften ihrer eigenen Nation, müssen sie jedesmal, wenn sich's um Kunst oder ernste Wissenschaft handelt, bei anderen Nationen in Kost gehen.
     Nächsten Herbst [... über die Schulfrage in Illinois ... Wahlen werden Schatten voraus ... die großen Parteien (Republikaner und Demokraten) werden ihre begabtesten Leute aufstellen ...] Doch bis dahin laufen noch viele Gewässer den mächtigen Mississippi hinab.                J. N. E." (°°°).

"Die Lyra" Nr. 5 (401) berichtet auf S. 57 (3) vom Commers am 11.12.1891:
"     Bruckner=Commers. Der Wiener Akademische Gesangverein veranstaltete am 11. December aus Anlaß der Ernennung des Componisten Anton Bruckner zum Ehrendoctor der Wiener Universität im Sofiensaale einen Festcommers. Wir bringen ihm ein "Prosit"! " (#).

Ein Inserat in der Neuen Freien Presse Nr. 9808 auf S. 4 des Abendblatts macht auf den Klavierauszug der 4. Symphonie aufmerksam:
"Empfehlenswerthe Weihnachtsgeschenke.
                 Soeben erschienen:
              Mascagni, Amico Fritz.
   Vollständige Oper für Clavier zweihändig.

Früher erschienen: Vollständige Oper mit italienischem Text.
                    Ferner:
Barbi-Album mit dem Porträt der berühmten Sängerin.
Bruckner, Romantische Symphonie in Es-dur, vierhändig.
GUTMANN's k. und k. Hof-Musikalienhandlung, Hof-Opernhaus." (##).

Besprechung des Konzerts vom 3.12.1891 mit dem "Te deum" in der "Caecilia" Nr. 24 (Algemeen muzikaal tijdschrift van Nederland) auf S. 233f (= S. 3f):
"     Excelsior gaf, ditmaal in het Concertgebouw, op 3 Dec. eene uitvoering, die, ik zou haast zeggen, mij een onuitsprekelijk genot heeft geschonken. Tot nog toe hoorde ik slechts fragmenten uit Roméo et Juliette. [... ausführlich über Berlioz' Werk ...].
     De koristen waren in vele gedeelten zeer verdienstelijk, vooral in het slotkoor.
     Na de pauze volgde een werk van geheel anderen aard : Te Deum voor koor, orkest en orgel, van Anton Bruckner.
     Hoewel ik het vrij misplaatst vond na het voorafgaande (het komt mij voor, dat dit eene werk van Berlioz genoeg is voor één avond, het eischt toch reeds genoeg ingespannen aandacht), maakte deze toonschepping een goeden indruk op mij en ontegenzeglijk straalt er de even groote originaliteit als bekwaamheid van den componist in menig gedeelte uit. In den daarin voorkomenden solo-kwartet zong mej. Spoor de sopraan; aan lieflijkheid ontbreekt het hare stem niet, doch aan kracht zal zij, hoop ik, veel winnen." (###).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189112155, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189112155
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11