zurück 30.4.1892, Samstag ID: 189204305

Die Linzer Zeitung berichtet auf S. 539 [?] über das Konzert vom 28.4.1892 (mit den Mittelsätzen des Quintetts):
          "Kammermusikabend A. Rosé.
     Der Kammermusikabend Rosé und Genossen bildete eine sehr dankenswerte Ergänzung der Quartettproductionen unserer heimischen Kräfte. [...] ausschließlich Werke schwereren Calibers: zwei Sätze aus Bruckners F-dur-Quintett, Schumanns herrliches A-dur-Quartett und das so selten gespielte C-dur-Quintett von Beethoven.
     Warum aus Bruckners Quintett nur zwei Sätze gespielt wurden, ist uns nicht ganz klar. Das prächtige, dem Herzog Max Emanuel in Bayern gewidmete Werk ist allerdings keine Musik für die sogenannte reifere Jugend, allein wir glauben, daß unser Publicum, insoweit es überhaupt Quartett-Productionen besucht, musikalisch keineswegs von so zarter Constitution ist, daß es auf halbe Ration, gewissermaßen auf Spitalskost gesetzt werden müßte. Es gab wohl eine Zeit, in welcher die musikalische Güterschlächterei gang und gäbe war, in der man die Kammermusikwerke unserer Classiker dem Publicum satzweise, man möchte sagen löffelweise beibrachte, oder wenn man schon ein ganzes Werk zur Aufführung brachte, zwischen die einzelnen Sätze Gesangsnummern einschob, wie man einem Kinde nach jedem Löffel bitterer Medicin ein Stück Zucker in den Mund steckt. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei, und der künstlerische Geschmack ist heute so geläutert, daß es z. B. niemandem mehr einfallen dürfte, einzelne Sätze aus den letzten Streichquartetten Beethovens herauszureißen.
     Was aber dem einen recht ist, ist dem andern billlig, und zwar im vorliegenden Falle umsomehr, als Bruckner mit seinem Quintatte thatsächlich an Beethovens letzte Quartette anknüpft. An den späteren Beethoven erinnert insbesondere die Großartigkeit der Motive, von denen manche geradezu symphonischen Charakter tragen, sowie die immense thematische Gestaltungskraft des Componisten. An die letzten Beethoven'schen Quartette erinnert u. a. auch manche Freiheit in der Form, insbesondere aber in der Modulation. So ist in Bruckners Quintett der erste Satz in F-dur, der zweite in Ges-dur, der dritte in D-moll und der letzte über As in F. Von ganz eigenthümlichem Reiz und durchaus originell sind in Bruckners Werk gewisse Klangwirkungen, die bei der gestrigen Aufführung selbstverständlich zur vollen Geltung kamen. Das Adagio ist ein breiter Gesang, dem auch die Contraste nicht fehlen. Das Scherzo ist geradezu im Volkstone gehalten, den Bruckner überhaupt in seinen bewegten Sätzen sehr glücklich zu treffen weiß. Von ganz eigenthümlicher Wirkung ist die in der zweiten Viola und im Cello durch mehr als zwei Octaven fortschreitende Tonleiter. Das Trio ist ungemein gesangvoll. Beide Sätze wurden vom Publicum mit großer Wärme aufgenommen.

     Die zweite Nummer des Programms, Schumanns A-dur-Quarttett, [... Beethoven-Quintett ...] Die Mitglieder des Quartetts, die Herren Rosé, Siebert, Bachrich und Hummer, denen sich im Quintett Herr Jellinek anschloß, sind durchaus hervorragende Künstler, die für hervorragende Klangschönheit des Quartettes alle Eigenschaften mitbringen. Rosés Ton klingt nicht nur voll und warm, sondern ist auch vollkommen abgeklärt. Das Gleiche gilt auch von dem gesättigten, glänzenden Tone der Viola und das Cellos. Das Ensemblespiel dieser Künstler ist von idealer Vollkommenheit; Schwierigkeiten scheint es für dieses Ensemble nicht zu geben. [... Schumann 1. Satz! ... wir bemerken noch], daß insbesondere das klare Hervorheben aller Gegensätze die großartige Wirkung, die diesem Quartette zur Seite steht, miterzielen hilft.     K." (*).
 
Die Linzer Tagespost Nr. 99 bringt auf S. 5 ebenfalls eine Besprechung (signiert griechisches beta):
"                                         Linz, 29. April.
     (Quartett Rosé.) Wenn möglich, so kommen wir auch in dieser Saison nach Linz, aber es kann erst am Schlusse derselben sein. Da Sie ja ohnedies jetzt ein Streichquartett haben, das vorzügliche Kräfte besitzt. So nach dem Grundsatze des Noblesse oblige hat Herr Rosé einigen Verehrern seines Quartetts geantwortet, aber höchste erfreulicherweise Wort gehalten. [... zum Quartett mit Rosé, Siebert, Bachrich und Hummer kam diesmal noch Herr Jelinek (2. Viola) ...] Auch in der Zusammenstellung des Programms sehen wir unser Publicum doppelt geehrt, erstens weil ein Werk unseres alten Landsmannes aber noch sehr jungen Doctors Bruckner aufgenommen wurde und zweitens, daß man auf die Programme des Kühns'schen Quartettvereins Rücksicht nahm.
     Wie die Künstler spielten? Wie immer! Sie bereiten dem Hörer den denkbar vollkommensten Kunstgenuß. [... Hellmesberger und Joachim mindestens ebenbürtig ...].
     Bruckner'sche Streichmusik haben wir im Redoutensaale, seit sie das Hellmesberger'sche Quartett im Programme hatte, nicht mehr gehört. Hellmesberger hat auch mit dem Bruckner'schen Quintette in Wien wiederholt Entzücken erregt. Im heurigen Wiener Spielplane des Quartetts Rosé war es nicht enthalten. Das gestrige Spiel zweier Sätze desselben ist also, wie gesagt, eine ganz besondere Aufmerksamkeit für unser Linzer. Warum aber brachte Herr Rosé nur den zweiten und dritten Satz des Quintetts? Dachte er sich, es würden zuviele von jener Gattung Kunstliebhaber da sein, welche, erfaßt von dem allgemeinen Ansehen, in welchem Bruckner jetzt steht, ohne Widerspruch zu wagen, auch dort, wo sie nichts verstehen, aber die unbegriffene Größe ahnend, mit verhaltenen [sic] Athem zu [sic] horchen? [... breit gestreutes Stammpublikum, auch aus Kremsmünster und Wels ...] Es war von dem Scherzo Bruckners entzückt, während in Bezug auf das Adagio die Ansichten etwas getheilt schienen. Dem einen war es schlechtweg [sic] zu lang, dem anderen schien das Verhältnis zwischen Thema und Durchführung ungünstige [sic], ein dritter nannte die Arbeit nicht eine tiefsinnige, sondern tiefgrübelnde, ein Muster von enormer künstlerischer Technik. Aber das war die Minorität und sind nicht alle diese Urtheile bei solchen, die ein hohes Kunstwerk zum erstenmale hören, begreiflich? Es verhält sich bei den musikalischen Werken so, wie bei denen der bildenden Kunst. Wie hier bei hochbedeutenden Werken zum vollen Verständnisse ein einmaliges Ansehen nicht genügt, so auch dort nicht ein einmaliges Hören. Und darum wünschen wir für alle, daß Bruckner öfter zu Gehör gebracht werde, wennmöglich, umflossen von der bezaubernden Klangschönheit, die das Quartett Rosé aus seinen herrlichen Instrumenten zu entwickeln versteht.     β " (**).
 
The Inter Ocean Nr. 37 informiert auf S. 2 in der 5. Spalte über das Mai-Festival [mit dem Te deum" am 26.5.1892]:
"   CINCINNATI MUSICAL FESTIVAL.
Theodore Thomas Director and Eminent Talent from Abroad Secured.

     CINCINNATI, Ohio, April 29.–Cincinnati's tenth biennial May festival of music is appointed to begin May 24 and to close May 28. [... Ehrenamtliche Organisatoren ...].
     The leading works to be produced are Mendelssohns's "St. Paul," Bach's Christmas oratorio, and Dvorak's "Requiem Mass." with much of Beethoven, Wagner, Gluck, Weber, Mozart, Becker, Bruckner, and other composers. [...]
     [... Solisten ...]
     The orchestral music is by Theodore Thomas Orchestra and Mr. Thomas is the musical director. The concerts are given in Music Hall, which is really an outgrowth of the May festival idea. The chorus is made up of local singers, admitted only after a careful examination and has been under the training of Professor Blumenschein of Dayton, Ohion [sic]." (***).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189204305, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189204305
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11