zurück 20.6.1892, Montag ID: 189206205

Aufführung des »Germanenzugs« unter Kremser bei einer Sommer-Liedertafel des Wiener Männergesangvereins im Dreherpark in Meidling (*).
     Auf dem Programm stehen ferner u.a. Werke von A. M. Storch (»Waldeinsamkeit«), C. Attenhofer (»Marschlied fahrender Schüler«), Kremser (»Ständchen«, Baritonsolo: H. Gaßner) und J. Zehngraf (»Das Blümelein«).
     "[...] Erfolgbahnend eröffnet wurde mit Bruckner's prächtig-markigem "Germanenzug", der bedeutendsten Novität des Abends. Die Wirkung der herrlichen Tondichtung war eine erhebende, und wurde der in dem letzten Jahre erst verdientermaßen gefeierte Bruckner, als man seiner ansichtig wurde, von allen Seiten stürmisch gerufen. [...]" (*a).
     "Satzungsmäßige Ehrensolde (je 1 Ducaten in Gold für die erstmalige Aufführung einer Composition für Männerchor bei einer öffentlichen Production an den lebenden Componisten) wurde [...] Anton Bruckner, [...] zuerkannt." (*b).
     Der Chronist hält das Werk für
»die bedeutendste Novität des Abends. Die Wirkung der herrlichen Tondichtung war eine erhebende und wurde der gefeierte Componist Bruckner, als man seiner ansichtig wurde, von allen Seiten stürmisch acclamirt.« (**).
Bei den Instrumentalnummern wirken mit die "Musik-Capelle des k. u. k. Infanterie-Regimentes Graf Jellačić Nr. 69" und die ""Wiener Radfahrer-Capelle" (Capellmeister W. Zit)." (**a).
Als Berichterstatter ist August Brandt anwesend (**b).

Besprechungen der 4. Symphonie (Aufführung am 15.6.1892) erscheinen
in der Deutschen Kunst- und Musik-Zeitung XIX Nr. 18 auf S. 167, signiert "-d-r.":
"      Der akademische Wagnerverein hat sich am 15. Juni mit Glanz in der Ausstellung eingeführt. Er veranstaltete an diesem Tage ein Concert in größtem Stile und brachte Bruckner's Es-dur-Symphonie, Hugo Wolf's Musik zum "Fest auf Solhaug" [... ausführlich über Wolfs Komposition ...] - Sowohl das Stück von Wolf als alle anderen Programmnummern wurden unter Herrn Kapellmeister Schalk's ausgezeichneter Leitung vorzüglich ausgeführt und verdient das Orchester für die Wiedergabe der schwierigen Bruckner'schen Symphonie, der klangfreudige Chor für seine Mitwirkung in den Vocalnummern hervorragendes Lob. - Es ist wohl kaum nöthig zu sagen, daß Herr Prof. Bruckner nach jedem Satze seiner Symphonie, durch mehrmaliges Erscheinen vor dem Auditorium die übliche Personaleinkommensteuer für den erhaltenen Applaus entrichten mußte. Auch ein gewaltiger Lorbeerkranz wurde dem greisen Componisten unter Orchestertusch überreicht. Hocherfreut dankte der alte Herr für die Huldigungen.     –d–r." (***), 

in der Wiener Sonn- und Montags-Zeitung Nr. 25 auf S. 4f (signiert »H. W.« [Hans Woerz]):
"               Concert.
      Das Concert des Wagnervereines in der Tonhalle der Musikausstellung versammelte am 15. d. M. ein zahlreiches, distinguirtes Publicum, welchem mancherlei Anregung und Genuß geboten wurde. Den Mittelpunkt der von Herrn Prof. Schalk mit ebensoviel Eifer als Verständniß geleiteten Aufführung bildete Bruckner's seit zwei Jahren nicht mehr gehörte Symphonie in Es (Nr. 4), welche sich von den übrigen symphonischen Werken des genial veranlagten Meisters weniger durch die in der absoluten Musik nicht vielsagende Bezeichnung "die Romantische", als dadurch unterscheidet, daß die einzelnen Glieder ihrer Sätze etwas mehr Zusammenhang erkennen lassen und dadurch die zahlreichen kunstvollen Schönheiten der Details der Beachtung des Hörers näherrücken. Ein noch höherer Grad von Aufmerksamkeit wäre der Symphonie freilich nur durch vernünftige Kürzungen zu sichern. [... Phrase von der "himmlischen Länge... Lob für das "Grädener'sche Symphonie=Orchester", Zukunftswünsche ...] Daß die Symphonie Anton Bruckner's stürmischen Beifall fand, versteht sich in einem Concerte des Wagnervereines von selbst. Mit einem geringeren Erfolg [... Hugo Wolf, Liszt ... Wagner "das Alpha und Omega des Concertes" ...] glücklich zu Ende geführt wurde.     h. w." (°)

und, signiert "m. d." [Max Dietz?], in der Extrapost Nr. 544 (Wiener Montags-Journal) auf S. 5:
"Theater, Kunst und Literatur.
[...]
     – Das musikalische Ereigniß der Woche war das vom Wiener akademischen Wagner-Verein in der Tonhalle gegebene Concert. Anfang und Ende desselben war dem Bayreuther Meister gewidmet [... Richard Wagners Huldigungsmarsch, Meistersinger, Liszts "Gaudeamus igitur" ...] und Bruckner's romantische Symphonie in Es, die nicht mehr zu den Neulingen in den Concertprogrammen zählt. Letztgenanntes Werk entfesselte orkanartigen Beifall, wie er dort, wo die Freunde des kühn ausgreifenden Tondichters vollzählig beisammen sind, nun einmal üblich geworden ist. Den Siedepunkt erreichte der Enthusiasmus, als Fürstin Metternich dem greisen Componisten einen riesigen Lorbeerkranz in die zitternde Hand drückte. Capellmeister Schalk dirigirte die schwierige Partitur auswendig, jedenfalls eine respectable Probe von Gedächtnißstärke. [... Hugo Wolfs "Fest auf Solhaug" mit den Solisten Carl Astner und Margarethe Petersen, Lob für Chöre ...] Nicht das Gleiche läßt sich vom Orchester sagen [nur Hugo Wolfs Werk gemeint?]. Namentlich die Pauken, deren üble Klangwirkung wir schon bei früheren Concerten gerügt, und das Blech, das allzu schrill die Tonmasse überschrie, beleidigten ein feinfühliges Ohr. Herr Josef Schalk zeigte als Dirigent große Sicherheit und hatte sich denn auch keineswegs über Mangel an Anerkennung zu beklagen.     m. d." (°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189206205, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189206205
letzte Änderung: Dez 15, 2023, 14:14