zurück 10.7.1892, Sonntag ID: 189207105

Artikel Josef Stolzings über »Das deutsche Lied« (WAB 63, am 2.7.1892) in der Ostdeutschen Rundschau Nr. 28 auf S. 10:
"          Sommer-Liedertafel des akademischen Gesang-Vereines am 2. d. M.
     Mit dem "deutschen Liede", welches Meister Bruckner für das "erste deutsch=akademische Sängerfest in Salzburg" componirte, nahm die Vortragsordnung ihren Anfang.
     Die Dichtung ist von Erich Fels (Aurelius Polzer) und hat folgenden Wortlaut:
   Wie durch's Bergthal dumpf grollt Donnergedröhn',
   [...]
   Der deutsche Gesang durch's gefährdete Land.
     Bruckner's Composition ist markig und von der titanischen Kraft seiner symphonischen Schöpfungen durchdrungen. Auf zwei Noten ist der ganze Männerchor eigentlich aufgebaut. Die Tenöre setzen fortissimo auf dem d ein, die Bässe eine Octave tiefer, dieses erste (auf der Zeile) wird lange gehalten, dann gehen Tenöre und Bässe auf das nächste tiefere a auf dem Wort durchs herab, um wieder auf das frühere d auf dem Worte Berg emporzuschnellen. Aus diesem Thema entwickelt sich der ganze Gesang. Begleitet werden die Singstimmen von Blechmusik. [... Beschreibung einiger musikalischer Verläufe (Tenöre von d aufwärts bis b, Bass vom f zum ges abwärts etc.) ... Beschreibung der Schlusstakte ...] – Anton Bruckner, der zugegen war, wurde stürmisch bejubelt, und sein neuestes Werk begeistert aufgenommen. Volksthümlich dürfte es nicht werden, da es zu schwierig gestaltet ist, als daß unsere Liedertafelgesangvereine es bewältigen könnten. Der akademische Gesangverein wurde seiner großen Aufgabe so ziemlich gerecht, nur die hohen Tenöre kamen bei einigen Stellen, wo sie fortwährend as, a, b und h zu singen haben, nicht zur Geltung, diese Noten sind aber, wenn sie mit der nöthigen Kraft wirken sollen, nur im Falsett zu bringen.
     [... außer Schubert sonst nur unbedeutende Chöre ...] die bekannten "Alpenstimmen aus Oesterreich" von Rudolf Weinwurm machten den Schluß.
                            Josef Stolzing." (*).

Von der Aufführung der 3. Symphonie am 9.7.1892 berichten
die Deutsche Zeitung Nr. 7374, Beilage S. 5, signiert "h-m." [Theodor Helm]:
"Drittes Symphonie=Concert der Componisten und Gastdirigenten.
     Der heutige Abend brachte uns in Herrn Ferdinand Löwe einen neuen Dirigenten und durch ihn Meister Bruckner einen neuen glorreichen Triumph seiner kühnen, hehren Muse. [... über Löwes und Schalks verdienstvolle Klavieraufführungen, heute: Löwes Dirigentendebüt ...] Herr Löwe hat heute durch seinen, in alle Tiefen der Tondichtung eindringenden Vortrag der dritten Symphonie Bruckner's (D-moll) - derselben, welche im December 1890 bei den Philharmonikern so zündete und dann auf Verlangen in einem besonderen Concerte des Wagner=Vereines wiederholt wurde - zu einem völlig durchschlagenden Erfolge auch bei dem Ausstellungs=Publicum verholfen. Bruckner wurde nach jedem Satze seines Meisterwerkes stürmisch gerufen und am Schlusse auch wieder mit einem Lorbeerkranz bedacht. Die Aufführung war mit Bezug auf die ungewöhnliche Schwierigkeit der Aufgabe auch eine ungewöhnlich gute. [... über die anderen Werke...] Das Concert war massenhaft besucht. Zu rügen ist schließlich die unglaubliche Stümperhaftigkeit, mit der diesmal das im Saal verkaufte  Programmbuch verfaßt war. Beim reizenden Gesangsthema des ersten Satzes der Bruckner'schen Symphonie wurde statt der entscheidenden Triolenmelodie der Geigen nur der ohne diese nichtssagende begleitende Contrapunkt des Horns mitgetheilt! Auch im Uebrigen verräth die Besprechung ein solches Unverständniß und Uebersehen der wichtigsten Dinge, daß man beinahe auf die geheime Absicht schließen möchte, das Publicum irreführen und gegen den Componisten einnehmen zu wollen.     h-m." (**),

Robert Hirschfeld in der »Presse« Nr. 190 auf S. 10: "(Concert.) Als Gastdirigent erschien heute Ferdiannd Löwe an der Spitze des Ausstellungs=Orchesters. [...seine Qualitäten ... herrliche Programm-Auslese ... guter Besuch ...] Löwe dirigirte ohne Partitur=Vorlage mit gefestigter Ruhe und Sicherheit, so daß dem Orchester die Ausführung, den Hörern das Aufnehmen zur Freude wurde. [... Vorzüge seines Dirigierstils ...] Nach jedem Satze der gewaltigen, Richard Wagner gewidmeten Symphonie wurde Anton Bruckner von dem Auditorium laut bejubelt imd wie im Triumphe durch den Saal bis zur Estrade geleitet. Das Orchester folgte der Führung des gediegenen Dirigenten in allen Stücken mit rühmenswerther Kunstfertigkeit. Nach der zündenden Aufführung des Meistersinger Vorspiels wollte der Beifall nicht enden. Zu dem Lorbeerkranz, welchen die Ausstellungs=Commission dem Dirigenten Löwe überreichte, kann die Kritik ihren aufrichtigen Glückwunsch gesellen.     r. h." (***),

das Wiener Tagblatt Nr. 190 auf S. 7 (signiert »R. Hr.« [= Heuberger]):
     " * Das zehnte populäre Konzert des Ausstellungsorchesters in der Tonhalle wurde von Herrn Löwe, dem bekannten und trefflichen Musiker und glänzenden Pianisten, dirigirt und gipfelte in einem großen Erfolge des greisen Komponisten Dr. A. Bruckner, dessen bekannte D-moll-Symphonie die Hauptnummer des Programms bildete. Wie es kürzlich Herr Schalk gemacht hatte, welcher allen Applaus von seiner Person ab und auf den anwesenden Meister hinzulenken verstand, so wich auch Herr Löwe allen ihm zugedachten Ehren aus, und Dr. Bruckner wurde der Mittelpunkt großer Huldigungen, deren bekanntlich typischer Verlauf der Herzlichkeit keinen Eintrag that. - Das Orchester unter Herrn Löwe's Leitung schien uns gestern etwas weniger fein zu nuanciren und den Stoff nicht so vollständig zu beherrschen, wie bei früheren Anlässen. In Anbetracht des Umstandes aber, daß erst zwei Tage vorher ein Konzert mit ganz neuem Programm vom Stapel gegangen war, durfte man die Aufführung, welche außer der genannten Symphonie noch Beethoven's "Coriolan"-Ouverture, zwei Stücke aus Berlioz, "Damnation de Faust" und Wagner's "Meistersinger"-Vorspiel bot, eine recht gelungene nennen.     R. Hr." (°)

und die Allgemeine Kunst-Chronik Nr. 15 im 2. Juliheft (von dreien, daher nicht bei "Mitte Juli 1892" einsortiert) auf S. 367:
"               Ausstellungskonzerte.
     Nulla dies sine linea! d. h. ins Austellungsidiom übersetzt: Kein Tag ohne Konzert! An Productionen, welche eine kritische Besprechung erheischen, ist da wirklich kein Mangel. In allererster Reihe müssen die beiden letzten Konzerte des Amsterdamer A capella-Chors genannt werden, [...  unter Daniel de Lange ... staunenswürdig, einzigartig,  "seine Sängerschar spottet ... jeden Vergleichs" ...]
     [... nach der ältesten Musik dann amerikanische Werke unter Arens (riechen nach europäischen Vorbildern) ...]
     Außer Herrn Arens trat der Klavierlehrer Herr Ferdinand Löwe als Gastdirigent auf, ein Neuling, der beherzt an eine Aufgabe sich herangewagt, die selbst geübten Orchesterleitern manche Nuss zu knacken gibt, und die er ohne Lampenfieber sicher bewältigte. Den Mittelpunkt der Produktion bildete Anton Bruckner's D-moll-Symphonie, ein pathetisches Werk, das seitens des dem Komponisten befreundeten Zuhörerkreises gleich seiner unlängst aufgeführten jüngeren Musenschwester hell bejubelt ward. Die bei der Vorführung Bruckner'scher Tonschöpfungen sich regelmäßig abspielenden Szenen zu schildern, wollen wir uns erlassen. Man wird da gar aufdringlich an das Sprichwort erinnert, dass vom Erhabenen zum Lächerlichen der Schritt nicht weit ist.
     Professor Grädener [... dessen Konzert mit "Eroica" und Werken Labors und Heubergers (einheimisches Talent, zu selten aufgeführt) ...] Wann gibt man den lebenden vaterländischen Meistern endlich ihr Recht?       Dr. Max Dietz." (°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189207105, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189207105
letzte Änderung: Feb 09, 2023, 15:15