zurück 8.11.1892, Dienstag ID: 189211085

Brief Bruckners an Hans Richter: 
    "Hochwolgeborner Herr Hofkapellmeister!
    Zu meinem Entsetzen und sicher auch zu Ihrer großen und unangenehmen Überraschung muß ich H Doctor mittheilen, daß die Sinfonie nahezu 1 1/2 Stunde dauert; mit den Kürzungen sicher 1 1/4 Stunde. Schnelle Tempi verträgt die=[neue Seite]ses Werk keinesfalls. Ein Concertstück nebstbei aufführen, wäre ganz unmöglich, und würden sicher die letzten Sätze der Sinfonie vor leeren Bänken aufgeführt werden; - und die arme Sinfonie wäre hingerichtet!!! Sr. Majestät wäre eine solche Procedur auch unmöglich zuzumuthen! 
    Als Vater meines geistigen Kindes bleibt mir also die [neue Seite] heißeste Pflicht, recht zudringlich zu bitten, entweder die Sinfonie anfangs aufführen zu wollen, oder das verhaßte Virtuosenstück entfallen lassen zu wollen
    Sollte meine so nothwendige Bitte nicht Erhörung finden können, so bleibt mir leider die letzte aber entschiedene Bitte, die Sinfonie für dermalen unaufgeführt lassen zu wollen!!!
    Glückliche Reise nach Berlin. 
    Mit tiefstem Respekte 
                          [rechts:] Anton Bruckner. 
    Wien, 8. Nov. 1892."
(*).

Ankündigung des Konzerts am 13.11.1892 (mit dem 150. Psalm) im Neuen Wiener Abendblatt Nr. 310 (Neues Wiener Tagblatt) auf S. 4:
"     * Im ersten ordentlichen Gesellschaftskonzerte, welches am 13. d. um halb 1 Uhr Mittags im großen Musikvereinssaal unter der Leitung des Konzertdirektors Wilhelm Gericke und unter Mitwirkung der Damen Frau Leonore Baronin Bach, Fräulein Adele aus der Ohe, dem Singverein [sic] und des Gesellschaftsorchesters stattfindet, gelangen zur Aufführung:     A. Bruckner's Psalm für Solo, Chor und Orchester (erste Aufführung); Richard Strauß „Wanderers Sturmlied”, für Chor und Orchester (erste Aufführung); Franz Liszt Klavierkonzert, vorgetragen von Fräulein Adele aus der Ohe; den Schluß bildet Mendelssohn's Finale des ersten Aktes aus „Loreley” für Solo." (**).

Bruckner nimmt an dem Festabend teil, den der Wiener Akademische Gesangverein im Gasthaus »Zur Goldenen Birne« zum Abschied von Dr. Wähner veranstaltet (***).
     "Ein schwaches Zeichen des Dankes gab der "Akademische" seinem aus Wien scheidenden Vorstande durch die Veranstaltung eines Abschiedscommerses [8.11.1892] bei der "goldenen Birne". Zahlreich waren die Freunde Wähner's herbeigeeilt, um ihm herzliche Abschiedsworte zu sagen. Von hervorragenden Persönlichkeiten seien genannt: die Ehrenmitglieder Professor Dr. Bruckner, Hofschauspieler Reimers, Schaumann; die Alten Herren der Vereines Dr. Bareuther, Dr. Dlauhy, Dr. v. Ernst, Dr. Gassauer, Dr. Ernst König, Josef König, Dr. Schlenkrich, Dr. Staniek, Dr. Franz Wähner; ferner Frau Rosa Papier und die Herren Dr. Rosmanith und und Dr. Stärz.
     Vorstandstellvertreter Karl Lorenz eröffnete den Commers mit dem "Gaudeamus". Der Festredner, Vereinsmitglied Schalk [Anton Schalk], pries die Verdienste Wähner's um den Verein in zündender Rede. Dann überreichte der Vorstand Dr. Wiesenthal dem Dr. Wähner [...] eine Busennadel [...].
     Nun ergriff Dr. Wähner das Wort, welcher seine Verdienste als nicht gar so bedeutende hinzustellen versuchte [...].
     Das Wort ergriff nun Ehrenmitglied Professor Dr. Anton Bruckner, welcher zu Eingang seiner Rede den Dank für die Veranstaltung des Bruckner=Commerses aussprach. Dann verabschiedete er sich von dem "hochverehrten Präses" und wünschte ihm eine glückliche Zukunft.
     Den officiellen Theil des Commerses schloß ein kräftiger Salamander auf den scheidenden Vorstand. Der heitere Theil währte bis zum frühen Morgen [...]" (°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189211085, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189211085
letzte Änderung: Mai 14, 2024, 8:08