und im Wiener Tagblatt Nr. 82 auf S. 6:
" Theater, Kunst und Literatur.
[…]
* Heute Abend bringt der akademische Wagner=Verein unter der Leitung seines Dirigenten Josef Schalk zum erstenmale Anton Bruckner’s große Messe in F-moll im großen Musikvereinssaale zu Gehör. Der Vereinschor wurde durch zahlreiche Mitglieder des akademischen Gesangvereins wesentlich verstärkt. Die Ausführung der Soli haben die Damen Chotek und Wiedermann, Kammersänger Gustav Walter und Herr Michael Hugel übernommen. Das Werk, welches schon während des Studiums das lebhafteste Interesse der Ausführenden erregte, wird die zahlreichen Verehrer des heimischen Komponisten vollzählig versammeln.“ (*b).
Die Deutsche Zeitung Nr. 7628 berichtet auf S. 7, signiert "h–m." [Theodor Helm], von der Generalprobe der Messe [die Kolumne zuvor ist datiert "22. März"]:
" – Heute Abends (halb 7 bis halb 9) fand im großen Musikvereinsaal unter Professor Schalk's Leitung die Generalprobe der Aufführung von Bruckner's F-Moll=Messe statt. Der Ausfall der Probe, der Eifer und die Begeisterung aller Mitwirkenden, berechtigte zu den schönsten Erwartungen bezüglich der morgen (Donnerstag) zu empfangenden hehren und tief ergreifenden Kunsteindrücke. Ist es für Wien schon an und für sich ein Kunstereignis zu nennen, daß überhaupt eine Bruckner’sche Messe zum erstenmale vollständig im Concertsaale zur Aufführung kommt, so steigert sich die Bedeutung dieses Ereignisses noch wesentlich durch die getroffene Wahl. Denn gerade Bruckners F-moll=Messe gehört ja zu seinen herrlichsten Schöpfungen. Reich an den zartesten und kühnsten, den innigsten und großartigsten Stellen, uns in die tiefsten Geheimnisse religiös-musikalischer Mystik einführend, dann wieder in überirdische Regionen erhebend, wird das gewaltige Werk von keiner kirchlichen Composition der Gegenwart überragt. Ein dreifaches glänzendstes Zeugniß seiner Genialität, seiner Meisterschaft, seiner flammenden Glaubenskraft, hat sich unser Bruckner in dieser Messe selbst geschrieben – für die Ewigkeit! Möge sich daher kein wahrer Kunstfreund morgen den großen Eindruck entgehen lassen! h–m." (*c).
Aufführung der f-moll-Messe um halb 8 Uhr im Großen Musikvereinssaal durch den Wagner-Verein (verstärkt durch den Wiener Akademischen Gesangverein) und das Orchester von Eduard Strauß unter Josef Schalk (in dessen Bearbeitung) in Anwesenheit Bruckners (*).
Es wirken mit: der Vereinschor, Frl. Sophie Chotek, Frl. Bertha Widermann, Herr Gustav Walter [statt (#) Herrn Winkelmann (?)], Michael Hugel (#1) (= Michael Hugl, = Michael Kugel?), Violinsolo August Duesberg (#2), und als Organist Josef Labor (Orgel-Präludium über Motive der Messe und Zwischenspiel zwischen Sanctus und Benedictus) (**).
Ernst Decsey singt als Chorist mit (**a).
Außerdem gelangen das »Locus iste« und ein Interludium Josef Labors über das Benedictus der Messe zur Aufführung (***).
Im Publikum befinden sich Hans Richter, Brahms, Gericke (°), [Göllerich (°°)?] und die Kritiker Helm, Graf, Hanslick [(°°°)?], Kunitz, Horn, Heuberger und Speidel (##).
"Auch in diesem Jahre hat der Verein Gelegenheit gefunden, seinem Ehrenmitgliede Dr. Anton Bruckner seine Liebe und Verehrung zu bezeigen. Als der Richard Wagnerverein am 23. März 1893 die große Messe in F-moll dieses Bedeutendsten unter den lebenden Tondichtern zur Aufführung bringen wollte, lud er den Akademischen Gesangverein zur Mitwirkung ein, und dieser folgte gerne dem Rufe und sicherte dadurch dem Werke den Erfolg."
"Trotz der Osterferien war eine größere Zahl von Vereinsmitgliedern der Einladung des Wiener akademischen Wagner-Vereines gefolgt, bei der Aufführung der großen Messe in F-moll von Dr. Anton Bruckner mitzuwirken.
Der greise Meister konnte gar nicht genug Worte der Anerkennung und des Dankes dafür finden, daß durch diese thatkräftige Mitwirkung die Aufführung seines Werkes ermöglicht wurde. Wir freuen uns der freundlichen Worte und geben unserm verehrten Ehrenmitgliede die Versicherung, daß es auf seine "Gaudeamus" stets rechnen kann, wenn es gilt, seinen Werken zum Siege zu verhelfen." (###).
Das Konzert wird finanziell kein Erfolg, da die Preise "volksthümlich" waren. Ein Comité von Bruckner-Anhängern stellte "einen von einer früheren Bruckner-Aufführung erübrigten Betrag dem Vereine [...] zur Verfügung". Bruckner nimmt an der anschließenden »geselligen Vereinigung« teil, wo er "seinem lebhaften Dankesgefühle gegenüber unserem Vereine und der warmen Anerkennung über die Aufführung der Messe in seiner schlichten Weise Ausdruck verlieh." (a).
Aus dem Kassenbericht: "Gastbeiträge zu den internen Musik-Abenden und Einnahmen bei der Musikaufführung am 23. März . . . 1142 fl. 50 kr." und "Auslagen der Musikaufführung am 23. März . . . 1128 fl. 81 kr." (b).
Zitierhinweis:
Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189303235, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189303235letzte Änderung: Dez 23, 2024, 8:08