zurück 3.4.1893, Ostermontag ID: 189304035

In der Wiener Sonn- und Montags-Zeitung Nr. 14 erscheint auf S. 2f eine mit »H. W.« [Hans Woerz] signierte Besprechung der f-Moll-Messe [am 23.3.1893]:
"               Concert-Ostern.
[... Inhaltsübersicht ...]
     H. W. Die Osterglocken sind erklungen, ein feierliches, frohes Ausrufungszeichen am Schlusse des vielgliederigen Periodenbaues der Wiener Concertsaison! [... Gedanken zum Saisonausklang ...]
     [... geistliche Musik: Bachs h-Moll-Messe ...] Einige Tage zuvor gab auch der akademische Wagner=Verein ein großes Concert, dessen Inhalt Anton Bruckner's Messe in F-moll bildete. Dieselbe ist schon vor einiger Zeit in der Wiener Hofburgcapelle zur Aufführung gelangt, paßt jedoch wie uns scheint, nach ihren Dimensionen, sicherlich aber nach ihrem, der Beethoven'schen Messe in D nachgebildeten Style nicht recht für den kirchlichen Gottesdienst, namentlich wegen gewisser lyrischer Sprünge und mancher verwegener Excursionen der Solostimmen. Im Uebrigen gehört die F-moll-Messe unzweifelhaft zu Bruckner's reifsten, abgerundetsten und schönsten Werken; sie unterscheidet sich vortheilhaft von seinem 150. Psalm und enthält, ganz abgesehen von dem kunstvollen Fugenbaue wie von der glänzenden Instrumentation, wahrhaft majestätische Momente. Für den Höhepunkt des Ganzen halten wir das Credo. Diese Messe verdient jedenfalls im Concertsaale öfter aufgeführt zu werden, fordert aber unbedingt das Zusammenwirken erster Kräfte im gesanglichen wie im orchestralen Theile. Die Aufführung von Seite des Wagner-Vereines, um welche sich der Dirigent, Herr Josef Schalk, die erdenklichste Mühe gab, machte  schon wegen der Verwendung des Strauß'schen Ballorchesters und der [sic] Ueberwiegens der Blechinstrumente auf nachsichtige Beurtheilung Anspruch; der Sänger der Baßsoli war ganz unhörbar, Herr Walter ausgezeichnet wie gewöhnlich; die übrigen Sänger warfen sich heldenmüthig auf die Schwierigkeiten ihrer Aufgabe und das Publicum applaudirte nach Leibeskräften.
     [... Ambrosius-Verein, Wiener Männergesangverein, Schubertbund, andere Konzerte ...]" (*).
 
Die Extrapost Nr. 585 (Wiener Montags-Journal) erwähnt auf S. 7 im Bericht über die Kunstausstellung (signiert "-dt.") auch die Bruckner-Büste [IKO 55]:
"                    Künstlerhaus.
     (Die XXII. Jahresausstellung im Künstlerhause.)
     Die Musik mit ihrer Innerlichkeit ist die Kunst des Winters, der den äußeren Sinnen so wenig zu thun gibt. Oper und Concert beherrschen darum die Wintersaison der Großstadt. [... nun die "Herrschaft der Augenkünste" ... über einzelne Kunstwerke ... allgemeiner Vorwurf:] Das Gute ist nicht neu, und das Neue ist nicht immer gut. [...]
     Die heurige Jahresausstellung steht im Zeichen des Porträts. [...] Wegen ihrer Porträts wird die heurige Jahresausstellung populär werden.
     Einen breiteren Raum als sonst, dem Platze und ihrem Interesse nach, nimmt die Plastik ein. Es sind hier fast durchwegs – sehr im Gegensatz zur Malerei – vortreffliche Schöpfungen zu verzeichnen. Kaum fehlt auch ein Name von Klang von allen unseren heimischen Plastikern. Allen voraus sind Benk Weyr und Tilgner würdig vertreten. [... Benk ...]. Tilgner hat mehrere Köpfe, darunter den interessanten des alten Componisten Bruckner, keiner ist ihm aber idealer gelungen als der herrliche Kopf Makart's. [...] Im Ganzen ist der plastische Saal heuer eine wahre künstlerische Schatzkammer, in welcher man sich vor [sic] so manchem malerischen Attentat der Ausstellung erholen kann. [...]
                                                        –dt." (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189304035, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189304035
letzte Änderung: Aug 02, 2023, 12:12