zurück 4.4.1893, Dienstag ID: 189304045

Bericht in der Linzer Montagspost Nr. 8 auf S. 5f [wegen des Osterfestes erst am Dienstag erschienen?] über die Steyrer Aufführung der d-Moll-Messe [2.4.1893]:
„     Tagesneuigkeiten.
                      
Linz, 4. April 1893.
[…]
      Bruckner D=Messe. Aus Steyr wird uns geschrieben: Der Ostersonntag, der Tag des Kirchenjahres, welcher der Auferstehung unseres Heilandes gewidmet ist, brachte der Bevölkerung Steyrs einen Genuß wie selten. Es wurde die D=Messe unseres berühmten Landsmannes Dr. Anton Bruckner in der Stadtpfarrkirche aufgeführt. Zu klein erwiesen sich die Räume, welche die Andächtigen fassen sollten, um dieses Musterwerk zu hören. Diese Messe zeigte eine originelle Schönheit in allen Theilen. Das Kyrie drückt ein tiefernstes Flehen aus, welches im Christe eleison in ein zuversichtliches Hoffen übergeht. Das Gloria verkündet in hehren Accorden und lieblichen Melodien die Ehre desjenigen, zu dessen Ehre und Preis es geschrieben ist. Ein majestätisches Glaubensbekenntnis ist das Credo, tiefdurchdacht, für den Zuhörer geradezu überraschend. An einigen Stellen weiß es eine erschütternde Wirkung hervorzubringen. So klingt z. B. das „et sepultus est“ wunderbar aus. Der Schluß des Credo ist ein ruhiges Amen. Das Sanctus zeichnet sich durch besondere Eigenart im Osanna aus, welches sich auch beim Benedictus, das sehr lieblich durch ein Altsolo eingeleitet wird, wiederholt. Das Agnus Dei klingt wieder tiefernst als Flehen zum Lamme, das die Sünden hinwegnimmt und klingt in ein herrliches, das Meisterwerk beschließendes „Dona nobis pacem“ aus. Angemessen der Schönheit des Werkes war auch die Ausführung und es ist allen Mitwirkenden zu gratulieren zu ihrem Erfolge in erster Linie aber dem Regenschori Herrn F. Bayer, unter dessen verständnisvoller Leitung die Aufführung sich zu einer musterhaften gestaltete. Möge die Thatsache, daß der greise Meister Bruckner, welcher persönlich die Präludien zum Vortrage brachte, zu dieser Aufführung aus Wien nach Steyr kam, den Herrn Regens Chori für seine gehabte Mühe belohnen und möge er fürderhin nicht ermüden, uns solch’ edle Musik zu Gehör zu bringen.“ [keine Signatur].


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189304045, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189304045
letzte Änderung: Nov 24, 2023, 9:09