Mehrere Zeitungen bringen Besprechungen (z.T. Kurzkritiken) der gestrigen Aufführung der 2. Symphonie:
Deutsches Volksblatt Nr. 2120 (kurze Notiz auf S. 2):
"Theater, Kunst und Literatur.
Dr. Anton Bruckner's Symphonie in C-moll (Nr. 2), ein geniales Meisterwerk, errang im gestrigen Concert der Philharmoniker einen durchschlagenden Erfolg.
[... andere Meldungen ...]" (*),
Schönaich in der Extrapost Nr. 671 (Wiener Montags-Journal) auf S. 5:
" (Philharmonisches Concert.) Das gestrige philharmonische Concert begann mit einer zündenden Aufführung der Egmont=Aufführung von Beethoven. Hierauf spielte Herr Richard Epstein Liszt's Es-dur=Concert unter freundlichem Beifall eines großen Theils der Anwesenden. Das Ereigniß der gestrigen Aufführung aber bildete die Aufführung der zweiten Symphonie Anton Bruckner's in C-moll. Das Werk ist in Wien nicht ganz unbekannt. Es wurde schon in den Jahren 1873 und 1876 unter der Leitung des Componisten zu Gehör gebracht. Die Aufnahme der Symphonie aber zeugte deutlich, daß der Zeitraum von 20 Jahren die Anschauungen und die Resonnanz [sic] der musikalischen Zuhörerschaft wesentlich verändert und für die Ausdrucksweise Bruckner's empfänglicher gemacht hat. Diese C-moll-Symphonie – Bruckner hat in dieser Tonart deren drei geschrieben – ist ein mächtiges Gebilde, in der der Componist wie immer seine eigene Sprache spricht, in der er Geheimnisse mitzutheilen, Stimmungen zu enthüllen und Gedanken zu gestalten versteht, die ihn als eine der bedeutendsten, am schärfsten profilirten Persönlichkleiten der modernen Tonkunst erscheinen lassen. Die Ueberfülle an glänzendem Themenmaterial blendet schon im ersten Satz und so mächtig er sich aufbaut, er vermag es nicht ganz dahin zu bringen, daß wir über die Form den Marmor vergessen. Das Adagio athmet eine edle Wärme und Größe der Empfindung wie nur sehr wenige Tonstücke, die in den letzten fünfzig Jahren geschrieben wurden. Der pianissimo-Schluß wirkt bezaubernd. Das Scherzo gilt sozusagen als das ureigenste Terrain Bruckner's und wer an einer Symphonie dieses Componisten gar nichts gelten läßt, nimmt diesen Theil in der Regel aus. Das Scherzo dieser C-moll-Symphonie hat einen von allen übrigen Scherzos Bruckner's ganz verschiedenen Charakter. Es zeigt einen Humor, mit dem nicht zu spaßen ist. Seine Töne erzählen von michelangelesker Größe, von Glanz und Kraft. Der Schlußsatz, der auch auf den ersten Theil wieder zurückgreift, mit seinem leidenschaftlichen Hauptthema und der erstaunlichen Kunst der Verarbeitung seiner Motive, krönt das Werk und bildet einen erschöpfenden Abschluß seiner Gesammtstimmung. Der Beifall, an dem sich das ganze musikalische Publicum betheiligte, erreichte nach dem Scherzo seinen Höhepunkt. Der ehrwürdige Componist wurde unzählige Male genöthigt, sich dem Publicum zu zeigen. G. S." (**),
Illustriertes Wiener Extrablatt Nr. 325 auf S. 5, signiert »k. st.« [= Königstein]:
„ Concerte.
Zweites Philharmonisches Concert. – Zweites Concert d’Andrade. – Franz Rummel. – Quartett Winkler.
Die Philharmoniker eröffneten ihr gestriges Concert mit der lange nicht gespielten „Egmont“=Ouverture von Beethoven, deren schwungvolle Wiedergabe einmüthig enthusiastischen Beifall weckte und schlossen es mit der zweiten Symphonie in C-moll von Anton Bruckner, deren stockender Harmonienfluß nur getheilte Stimmung hervorrief. Nur der dritte Satz, Scherzo, ein Feuerguß aus dem Hochofen des Genius, setzte das Publicum in Flammen. Die großen Einzelschönheiten der übrigen Sätze dieser Symphonie, deren erste Aufführung in einem Gesellschaftsconcert vor mehreren Jahren die Hörerschaft schaarenweise in die Flucht schlug, rechtfertigten den partiellen Beifall, für welchen der greise Componist persönlich dankte. Als Mittelstück bekamen wir das Es-dur-Concert von Liszt zu hören. Den Clavierpart spielte Herr Richard Epstein. Der junge Künstler erwies sich bei der Lösung seiner virtuosen Aufgabe männlich gereift und verdient redlich den Beifall, den er fand.
Herr d’Andrade [… über dessen und andere Konzerte …]. k. st. (***),
„ Concerte.
Zweites Philharmonisches Concert. – Zweites Concert d’Andrade. – Franz Rummel. – Quartett Winkler.
Die Philharmoniker eröffneten ihr gestriges Concert mit der lange nicht gespielten „Egmont“=Ouverture von Beethoven, deren schwungvolle Wiedergabe einmüthig enthusiastischen Beifall weckte und schlossen es mit der zweiten Symphonie in C-moll von Anton Bruckner, deren stockender Harmonienfluß nur getheilte Stimmung hervorrief. Nur der dritte Satz, Scherzo, ein Feuerguß aus dem Hochofen des Genius, setzte das Publicum in Flammen. Die großen Einzelschönheiten der übrigen Sätze dieser Symphonie, deren erste Aufführung in einem Gesellschaftsconcert vor mehreren Jahren die Hörerschaft schaarenweise in die Flucht schlug, rechtfertigten den partiellen Beifall, für welchen der greise Componist persönlich dankte. Als Mittelstück bekamen wir das Es-dur-Concert von Liszt zu hören. Den Clavierpart spielte Herr Richard Epstein. Der junge Künstler erwies sich bei der Lösung seiner virtuosen Aufgabe männlich gereift und verdient redlich den Beifall, den er fand.
Herr d’Andrade [… über dessen und andere Konzerte …]. k. st. (***),
Neues Wiener Journal Nr. 393 auf S. 3, signiert »A. K.« (Albert Kauders):
" (Zweites philharmonisches Concert.) Die Hauptnummer des gestrigen Concertes der Philharmoniker bildete Anton Bruckner's zweite Symphonie (C-moll). Dieses Werk ist überhaupt die erste Symphonie des Meisters, welche man in Wien zu hören bekam; dies geschah gegen Schluß der Weltausstellung 1873 in einem Festconcerte, das Bruckner selbst veranstaltete. Damals stand er als Dirigent an der Spitze der Philharmoniker. Einige Jahre später wurde die Symphonie in einem Gesellschaftsconcerte gebracht. Die Philharmoniker selbst fügten sie gestern zum erstenmale dem Programme ihrer regulären Concerte ein. Imponirender Gedankeninhalt, blendendes Orchestergewand und eine unerhörte contrapunktische Meisterschaft in der Durchführung, zeichnen auch dieses Werk des Altmeisters aus. Doctor Hirschfeld hat in seinem Programmbuch eine erschöpfende Analyse geboten, auf welche wir Wißbegierige verweisen. Der erste Satz mit seinen edlen, architektonisch gruppirten Themen ist in der Reprise und Coda etwas breiter gehalten; er hat ermüdet. Das feierliche Andante mit seiner poetischen Stimmung und das kräftiggemüthliche Scherzo haben sehr gefallen und lauten Beifall geweckt. Der letzte Satz in seiner Rondoform ist vielleicht der plastisch anschaulichste und birgt eine Fülle der reizvollsten Melodik und Contrapunktik. Die Hast, mit welcher das Publicum schon während der Schlußaccorde nach den Garderoben stürmte, läßt freilich nicht beurtheilen, inwiefern auch hier eine Wirkung vorhanden war. Meister Bruckner, dessen Gesundheitszustand leider nicht befriedigend ist, hat es sich gleichwohl nicht versagt, der Aufführung seines Werkes beizuwohnen, und nach jedem Satz in seiner herzlichen schlichten Weise für die – je nach der Individualität des Zuhörers – begeisterte oder freundliche Aufnahme zu danken. Das brillante Clavierconcert in Es von Franz Liszt wurde mit gleicher Brillanz von Herrn Epstein jun. gespielt, der stürmischen Beifall für seine Leistung erzielte, mit welcher er sich nun in die Reihen der Pianisten großen Stiles stellt. Beethoven's "Egmont"-Ouverture in musterhafter Ausführung hat das Concert eröffnet. a. k." (°),
" (Zweites philharmonisches Concert.) Die Hauptnummer des gestrigen Concertes der Philharmoniker bildete Anton Bruckner's zweite Symphonie (C-moll). Dieses Werk ist überhaupt die erste Symphonie des Meisters, welche man in Wien zu hören bekam; dies geschah gegen Schluß der Weltausstellung 1873 in einem Festconcerte, das Bruckner selbst veranstaltete. Damals stand er als Dirigent an der Spitze der Philharmoniker. Einige Jahre später wurde die Symphonie in einem Gesellschaftsconcerte gebracht. Die Philharmoniker selbst fügten sie gestern zum erstenmale dem Programme ihrer regulären Concerte ein. Imponirender Gedankeninhalt, blendendes Orchestergewand und eine unerhörte contrapunktische Meisterschaft in der Durchführung, zeichnen auch dieses Werk des Altmeisters aus. Doctor Hirschfeld hat in seinem Programmbuch eine erschöpfende Analyse geboten, auf welche wir Wißbegierige verweisen. Der erste Satz mit seinen edlen, architektonisch gruppirten Themen ist in der Reprise und Coda etwas breiter gehalten; er hat ermüdet. Das feierliche Andante mit seiner poetischen Stimmung und das kräftiggemüthliche Scherzo haben sehr gefallen und lauten Beifall geweckt. Der letzte Satz in seiner Rondoform ist vielleicht der plastisch anschaulichste und birgt eine Fülle der reizvollsten Melodik und Contrapunktik. Die Hast, mit welcher das Publicum schon während der Schlußaccorde nach den Garderoben stürmte, läßt freilich nicht beurtheilen, inwiefern auch hier eine Wirkung vorhanden war. Meister Bruckner, dessen Gesundheitszustand leider nicht befriedigend ist, hat es sich gleichwohl nicht versagt, der Aufführung seines Werkes beizuwohnen, und nach jedem Satz in seiner herzlichen schlichten Weise für die – je nach der Individualität des Zuhörers – begeisterte oder freundliche Aufnahme zu danken. Das brillante Clavierconcert in Es von Franz Liszt wurde mit gleicher Brillanz von Herrn Epstein jun. gespielt, der stürmischen Beifall für seine Leistung erzielte, mit welcher er sich nun in die Reihen der Pianisten großen Stiles stellt. Beethoven's "Egmont"-Ouverture in musterhafter Ausführung hat das Concert eröffnet. a. k." (°),
Wiener Sonn- und Montags-Zeitung Nr. 48 auf S. 6, signiert »hw« [Hans Woerz]:
" (II. Philharmonisches Concert.) Eine schöne und interessante Musikaufführung, eingeleitet mit der seit langem nicht mehr gehörten Egmont=Ouverture Beethovens. Auf dieses großartige Heldendenkmal folgte das Es-dur Concert von Lißt, eines seiner kürzesten, besten und glänzendsten Instrumentalwerke, dessen Clavierpart von Herrn Richard Epstein auf einem prachtvoll klingenden Bösendorfer'schen Instrumente mit Geschmack und großer Virtuosität dem Publikum zu lebhaftem Danke vorgetragen wurde. Den Schluß machte Bruckners zweite Symphonie (in C-moll), welche vor 21 Jahren ihre erste Aufführung in Wien erlebt hatte und damals in diesen Blättern ausführlich besprochen wurde. Mit Rücksicht auf die große Zahl von Generalpausen, deren sich Bruckner in dieser Symphonie bedient, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu spannen, könnte man dieselbe zur Unterscheidung von ihren Schwestern in C-moll (Nr. 1 u. Nr. 8) die Pausensymphonie nennen. Wir meinen noch heute, daß es ein anderes, musikalischeres Mittel gäbe, um den löblichen Zweck zu erreichen und zugleich zu verhüten, daß das Publikum beim Anhören eines langen, complicirten Symphoniesatzes den Faden des Verständnisses und der Geduld verliere. Aber was zwischen den vielen Pausen liegt, gehört in Bruckners Symphonie Nr. 2, nicht selten zu dem Edelsten und Originellsten unseres gesammten Symphonieschatzes. Nur das Scherzo ist kurz; daß aber Derjenige, der es geschrieben hat, ein Genie seine müsse, darüber dürfte es unter Kunstkennern wohl keinen Zweifel geben. Der greise Componist wurde durch mehrmaligen Hervorruf geehrt. hw " (°°)
und Wiener Abendpost Nr. 271 (Wiener Zeitung) auf S. 6, signiert "p." [ziemlich sicher Hans Paumgartner]:
" Theater und Kunst.
p. Die Philharmoniker haben in ihrem gestrigen zweiten Abonnement=Concerte Anton Bruckners siebzigsten Geburtstag in würdigster Weise durch die Aufführung der zweiten (C-moll) Symphonie des Meisters gefeiert. Wir kommen auf diese Symphonie in Bälde wieder zurück und werden diesem herrlichen Werke eine eingehendere Besprechung widmen. Dasselbe hat gestern einen mächtigen und tiefen Eindruck beim Publicum gemacht, welches den greisen Meister enthusiastisch bejubelt und ungezählte Male auf das Podium gerufen hat. Die Aufführung der Bruckner'schen Symphonie war unter Hans Richters wundervoller Leitung ausgezeichnet. Herr Richard Epstein hat in diesem Concerte, welches mit Beethovens "Egmont"=Ouverture eröffnet wurde, sehr beifällig das Es-dur-Concert von Liszt gespielt." (°°°).
" Theater und Kunst.
p. Die Philharmoniker haben in ihrem gestrigen zweiten Abonnement=Concerte Anton Bruckners siebzigsten Geburtstag in würdigster Weise durch die Aufführung der zweiten (C-moll) Symphonie des Meisters gefeiert. Wir kommen auf diese Symphonie in Bälde wieder zurück und werden diesem herrlichen Werke eine eingehendere Besprechung widmen. Dasselbe hat gestern einen mächtigen und tiefen Eindruck beim Publicum gemacht, welches den greisen Meister enthusiastisch bejubelt und ungezählte Male auf das Podium gerufen hat. Die Aufführung der Bruckner'schen Symphonie war unter Hans Richters wundervoller Leitung ausgezeichnet. Herr Richard Epstein hat in diesem Concerte, welches mit Beethovens "Egmont"=Ouverture eröffnet wurde, sehr beifällig das Es-dur-Concert von Liszt gespielt." (°°°).
Vermerk "Expedirt 26./11" auf dem Protokoll vom 23./24.11.1894 (#).
Zitierhinweis:
Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189411265, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189411265letzte Änderung: Mai 14, 2024, 8:08