zurück 8.12.1894, Samstag ID: 189412085

Bruckners Gesundheitszustand hat sich seit Tagen so dramatisch verschlechtert, daß er von den Ärzten aufgegeben (*) und [?] Ignaz Bruckner telegraphisch aus St. Florian herbeigerufen wird (*a).

Von der Verschlechterung und der Behandlung durch Professor Schrötter berichten auch
die Linzer Tages-Post Nr. 281 auf S. 4:
"     (Dr. Anton Bruckner,) der greise Componist, der bekanntlich im verflossenen Sommer in Stadt Steyr seinen 70. Geburtstag gefeiert hat, ist, wie das "N. W. Tagblatt" meldet, seit seiner Rückkehr nach Wien leidend und sein Zustand gibt zu ernsten Besorgnissen Anlass. Der Patient, der von Professor Schrötter behandelt wird, verbringt den größten Theil des Tages, in seinem breiten Lehnstuhle sitzend, in schlafendem Zustande. So oft er erwacht, muss ihn seine treue Pflegerin Frau Kathi, die Bruckner seit 22 Jahren betreut, zum Clavier führen. Nachdem er zehn oder zwanzig Minuten lang präludiert, verfällt der Meister wieder in tiefen Schlaf. Aus Freundes= und Verehrerkreisen gibt sich die größte Theilnahme für den Tonkünstler kund. Derselbe darf auf ärztliche Verfügung keine Besuche empfangen." (**),

die in Klagenfurt erscheinenden "Freien Stimmen" Nr. 147 auf S. 4:
"     Wien, 7. December. Der greise Componist Anton Bruckner ist schwer erkrankt." (**a)

und die Steyrer Zeitung Nr. 98 auf S. 3:
"Tagesneuigkeiten.
[...]
     Aus Wien wird am 5 ds. berichtet: "In dem Befinden des seit einiger Zeit erkrankten Componisten Professor Dr. Anton Bruckner ist in den letzten Tagen eine Verschlimmerung eingetreten, die bei dem hohen Alter des Patienten nicht unbedenklich ist." – Von anderer Seite wird berichtet: Dr. Bruckner, welcher von Professor Schrötter behandelt wird, verbringt den größten Theil des Tages, in seinem breiten Lehnstuhle sitzend, in schlafendem Zustande. So oft er erwacht, muß ihn seine getreue Pflegerin Frau Kathi, die Bruckner seit zweiundzwanzig Jahren betreut, zum Clavier führen. Nachdem er zehn bis zwanzig Minuten lang präludiert, verfällt der Meister wieder in tiefen Schlaf. Aus Freundes= und Verehrerkreisen gibt sich die größte Theilnahme für den Tonkünstler kund. Derselbe darf auf ärztliche Verfügung keine Besuche empfangen." (***).

Dreitägige Lücke in den Gebetsaufzeichnungen. Nach dem Eintrag vom 7.12. ein waagerechter Strich [zur Hervorhebung des Feiertages?] und vermutlich (von Tintenklecks überdeckt?) das Morgengebet noch notiert (°).

Aufführung des Vokalquartetts »Du bist wie eine Blume« [WAB 64] durch den Linzer Sängerbund unter Adalbert Schreyer im 37. Gründungsfestkonzert im Redoutensaal (°°). Solisten sind Susanne Pelschimovsky, Marie Zelenka, Ludwig Haslinger und Franz Haslinger. Weitere Mitwirkende dieses Abends sind C. Astner und Ernst Deutl. Im Publikum u.a. Hofrat Just, Landesgerichtspräsident Derleth und Bürgermeister Poche (°°a).

Bericht über die Aufführung der 2. Symphonie am 2.12.1894 [recte: 25.11.1894] im Alpen-Boten Nr. 98 auf S. 3:
"               Verschiedenes.
                        Steyr,
7. December.
     (Anton Bruckners C-moll=Symphonie.) Ueber dieses Tonwerk unseres berühmten Landsmannes, welches in Wien von den Philharmonikern am 2. d. M. [sic] zum erstenmale zur Aufführung kam, schreibt der Musikreferent [Hans Paumgartner am 4.12.1894] der "Wiener Abendpost": "Wir haben bereits des tiefen Eindruckes gedacht, welchen die zweite Symphonie in C-moll von Anton Bruckner bei ihrer ersten Aufführung im zweiten philharmonischen Concerte hervorgerufen hat. Es mögen andere Symphonien Bruckners, wie insbesondere die siebente in E-dur, vielleicht einen noch höheren und kühneren Flug nehmen, die zweite in C-moll scheint uns aber den gemüthsinnigsten Ton unter allen Bruckner'schen Symphonien anzuschlagen. Gleich das Hauptmotiv des ersten Satzes führt uns in diese edle innerliche Stimmung auf das glücklichste ein, das innig schöne Gesangsthema der Celli (beinahe klingt dasselbe an die einleitende Cantilene des Fagot [sic] vor Wolframs Sang "War's Zauber, war es reine Macht" an) hält die Stimmung fest. Eine prächtige Episode des ersten Satzes ist das kühn in dem ganzen Chore der Streich=Instrumente gegen ein syncopiertes Thema der Holzbläser aufwärts drängende Unisono, welches zu einem reizvollen neuen, zuerst von der Oboe gesungenen Thema leitet. Wunderschön ist der zweite Satz, ein tiefinniges und klangreizendes Andante. Etwas so Edles, so Gemüthsinnerliches wie der Hauptsatz desselben ist nach Beethoven selten mehr gesungen worden. Von gewaltiger unmittelbarer Wirkung ist das trotzige Scherzo mit seinen  kriegerischen, zum Kampfe rufenden Trompeten und seinem lieblich, ländlerartig wiegenden und schmeichelnden Trio. Der letzte Satz mit seiner kraftvollen Finalsteigerung ist der würdige Beschluss der Symphonie. Dass das Publicum den Componisten ungezählte Male auf das Podium herausgejubelt hat, wurde ebenso wie die ausgezeichnete Aufführung der Symphonie unter Hans Richters unvergleichlicher Leitung von uns bereits berichtet. Für den leider in letzterer Zeit kränkelnden Tondichter war die Aufführung und Aufnahme seines schönen Werkes eine ruhmreiche Huldigung, welche ihm Orchester und Publicum dargebracht haben. " (°°°).
 [Abgesehen von einigen orthographischen Modernisierungen, entspricht der Text exakt dem Originalartikel vom 4.12.1894]

Eine Kurzkritik von H. Rietsch zu diesem Konzert erscheint auch in der »Zeit« Nr. 10 auf S. 156 (#).

Hinweis auf das Konzert vom 21.12.1894 im Neuen Wiener Journal Nr. 405 auf S. 12:

"     Musikvereins-Säle.
               Repertoir:

Samstag, 8.: [...]
Freitag, 21.: Bruckner-Conc. (WagnerV.) gr. S.
Samstag, 22.: [... bis 30.12.1894 ...]" (##).

(Konzert des Schubertbundes im Musikvereinssaal (###)).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189412085, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189412085
letzte Änderung: Aug 30, 2023, 7:07