zurück 18.4.1895, Donnerstag ID: 189504185

Da sich Bruckner deutlich erholt hat, darf er ab heute den Tag außerhalb des Bettes verbringen (*).

Die Deutsche Zeitung Nr. 8368 teilt auf S. 2f im »Berliner Musikbrief« mit, daß bei der Aufführung der 4. Symphonie [am 9.3.1895] die ersten Sätze mit Begeisterung und das Finale mit Zurückhaltung aufgenommen wurden.
"                   Berliner Musikbrief.
     An musikalischen Darbietungen aller Art dürfte derzeit wohl keine Stadt der Welt so reich sein wie Berlin. [...].
     [... über Orchester, Chor- und Konzertvereine ...] Seit Anfangs December vorigen Jahres in Berlin befindlich, will ich es nun versuchen, einen Ueberblick über die seither stattgehabten Concerte der genannten Körper zu geben, [... über Konzerte der königlichen Kapelle unter Weingartner ...]. Das achte Symphonie=Concert brachte in feiner Ausführung Mendelssohn's "Sommernachtstraum"=Ouverture und Beethoven's zweite Symphonie. Die Glanznummern des Programms aber waren die vierte Symphonie in Es-dur von Anton Bruckner und die den Abschluß bildende mit unerhörtem Feuer gespielte und dadurch tobenden Beifall erweckende "Rienzi"=Ouverture. Bruckner's Symphonie läßt überall des Wiener Meisters tiefangelegte Erfindernatur und üppig blühende Phantasie erkennen, aber auch vielfach, so zum Beispiel im letzten Satze, der gegen die anderen Theile bedenklich abfiel, eine gewisse Zerfahrenheit des Ausdruckes, die häufig unvermittelte Aneinanderreihung an und für sich entzückender Details, welche aber kein einheitliches Gefühl aufkommen lassen, sondern kaleidoskopartig glitzernd und ablenkend wirken. Auch die unmeisterliche Manier des stufenweisen und durch Nebeneinanderstellungen gebildeten Aufbaues, welch jede logische Entwicklung, wie sie in der Symphonie unentbehrlich ist, unmöglich machen, stören mich ebenso, wie das fast regelmäßig zu rasch und unerwartete Eintreten der Schlüsse. (Wir können dieses Urtheil über Bruckner nicht unterschreiben. Der streng symphonische Maßstab reicht eben da nicht aus. Anmerkung der Schritleitung [Theodor Helm?].) Dies Alles erscheint um so bedenklicher, als Bruckner zweifellos vermöge seiner großartigen Anlagen der bedeutendste Vertreter der Symphonie seit Beethoven und Schubert zu sein berufen wäre. Am Harmonischesten wirkte auf mich der durch vollendete Form und Grazie ausgezeichnete zweite Satz dieser Symphonie. Das Scherzo bringt einen etwas gewöhnlichen Hauptgedanken in glänzender instrumentaler Hülle und ein entzückendes ländlerartiges Trio. Der letzte Satz erhebt sich Anfangs wie ein Löwe in einem grandiosen Thema, mit dem aber nichts unternommen wird, so daß er in der Folge sich in Details verliert und – verpufft. Das Publicum nahm in richtiger Erkenntniß des Gehaltes derselben die drei ersten Sätze der ausgezeichnet klar gespielten Symphonie mit Begeisterung auf, verhielt sich aber beim Schlußsatze kühl. [... über andere aufgeführte Werke und Weingartners Karrierepläne ...].
              (Fortsetzung folgt.)"
[vermutlich Signatur "Dr. Wilhelm Kienzl" am Ende des zweiten Teils]. (**).

Schreiben der Wiener Universität an das Ministerium für Cultus und Unterricht:
     Sie unterstütze Bruckners Antrag [nach dem 28.11.1894] um Fixierung der für 1895 zugesagten Ehrengabe [für die folgenden Jahre] (Konzept):
"Z. 464.
     Hohes k. k. Min. f C u U
der ergebenst unterzeichnete Dekan beehrt sich in der Anlage ein Gesuch des Lectors an der kk. Wiener Univ. Dr Anton Bruckner, worin er derselbe um "Fixirung" der ihm von Seite des Hohen Ministeriums gewährten Ehrengabe bittet, mit dem Bemerken zu übermitteln, daß dieses Gesuch von in der Sitzung (desm kk. Professoren Colegiums) [das Eingeklammerte nachträglich hinter das Wort "Decan" verschoben] am 26. Jänner 1895 von dem Decan [eingeschoben: "dem kk. Professoren Colegium"] vorgetragen [korrigiert in "vorgelegt"] und von demselben einstim[m]ig dasselbe zur/behufs wärmster Befürwortung der Beschluß es dem h. kk. Minist. auf das Wärmste anzuempfehlen, gefaßt wurde demgemäß welchem Beschluß. Demgemäß beehrt sich der ergebst unterz. Decan das Gesuch des Lectors Dr Bruckner behufs hoher Entscheidung zu unterbreiten
Wien den 18. April 1895
                                  Karabacek" (***).

(Festkonzert der Gesellschaft der Musikfreunde unter Gericke mit Werken von Schubert, (Grillparzer), Weber, Verdi, Haydn, Jensen, Rückauf, Schumann und Johann Strauß (°)).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189504185, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189504185
letzte Änderung: Jun 15, 2023, 8:08